Zwischen Labor und Leuchttisch

Ein Jahr mit dem Plustek OpticFilm 120

Von Hermann Groeneveld und Marwan El Mozayen / SilvergrainClassics

Foto: Hermann Groeneveld / SilvergrainClassics

 

Als Epson bekannt gab, dass die Produktion seines beliebten Flachbettscanners Perfection V850 Pro bald eingestellt werden würde, ging ein kollektiver Seufzer durch die Analog-Community. Für viele Fotografen war der V850 eine zuverlässige Brücke vom analogen Bild zum digitalen Postprozess – ein absolut zuverlässiges Arbeitstier.

Jedoch wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich irgendwo wiederum eine andere. Im vergangenen Jahr haben wir an der Silvergrain Academy in Bad Nauheim ein vielversprechendes neues Produkt für die Digitalisierung von Filmen entdeckt: den Plustek OpticFilm 120. Mit SilverFast Ai Studio als Scan-Software gebundelt, ist er ist nicht nur ein würdiger Nachfolger, sondern übertrifft sogar die Klasse des Epson Flachbettscanner bei Weitem. Er liefert bei Kleinbild- und Mittelformat-Vorlagen gleichermaßen eine Schärfe, Tonwerttiefe und Präzision bei der Digitalisierung, die eindeutig in der professionelleren Liga angesiedelt sind. Vor allem zeigt er, dass Plustek in die Zukunft des Filmscannens investiert, während andere sich still und leise zurückziehen.

 

Eine Qualitätssprung in die Zukunft nach einer Zeit mäßiger Innovationen

In den zurückliegenden zwanzig Jahren haben wir unsere Mittelformat-Filme mit Geräten digitalisiert, die größtenteils lange abgekündigt waren. Schaut man sich im Gerätepark vom SilvergrainLab um, hat das schon ein wenig musealen Charakter. Zwar gab es immer mal wieder neue Scanner-Modelle für Desktop Anwendung, nicht zuletzt auch von Plustek und Pacific Image Electronics, der ganz große Wurf aber blieb aus. Immerhin finden sich in unserem Lab noch hochwertige Trommelscanner von Heidelberg, gut und regelmäßig gewartet von keinem Geringeren als Karl Hudson.

Heute, da das Interesse am analogen Fotografieren langsam aber stetig wächst, traten vor etwas mehr als einem Jahr zwei unangefochtene Marktführer mit einer Innovation im Scanning auf den Plan: Plustek Technology, aus Taiwan stammend, ist ein weltweit bekannter Scanner-Hersteller. Und LaserSoft Imaging aus Deutschland macht die passende Software dafür. Plustek hat uns mit seiner Neuentwicklung, dem Plustek OpticFilm 120 überrascht.

Image 1 – Model: Jana Riedmaier
(Digitalisierung: Plustek OpticFilm 120 / SilverFast Ai Studio)

Plustek weist den Weg in die Zukunft des Digitalisierens

Die Neuauflage des OpticFilm 120 hat sich äußerlich kaum verändert, gegenüber dem Vorgängermodell. Die Wertschöpfung ist im Inneren zu suchen: Beste am Markt verfügbare optische und elektronische Komponenten stehen hier für höchst mögliche Bildqualität in der Desktop-Klasse. Dieser Filmscanner besitzt ein klares Alleinstellungsmerkmal am Markt, der unsere Tagesarbeit extrem vereinfacht: Er vereint die beiden gängigsten Filmformate in der analogen Fotografie. In erster Linie handelt es sich zwar um einen Mittelformat-Scanner für 120/220 mm Filme. Er kann die Aufnahmeformate 6×4,5 cm, 6×6 cm, 6×7 cm, 6×8 cm, 6×9 cm und 6×12 cm scannen. Positiv und Negativ, versteht sich. Zudem ist der OpticFilm 120 für das Scannen von 35 mm Kleinbild-Filmen und -Dias ausgelegt. Panorama und Halbformat kann das Gerät ebenfalls verarbeiten. Abgedeckt werden die unterschiedlichen Vorlagen-Formate durch außerordentlich robuste Filmhalter. Diese zieht der Scanner automatisch ein und transportiert sie Bild für Bild durch den teilautomatisierten Scann-Prozess. Noch nie hatten wir so stabile, benutzerfreundliche und exakt schließende Filmhalterungen in Händen. Die Filmplanlage wird durch eine magnetische Fixierung der Rahmenhälften und teilweise verschiebbare Stege zwischen den Aufnahmen wirkungsvoll unterstützt. Eine automatische Erkennung des jeweiligen Filmhalters in der Software durch eine entsprechende Codierung der Halterungen hätten wir uns noch gewünscht. Diese muß man in der Scan-Software einstellen, kann es leicht mal vergessen.

SilverFast sorgt für maximale Dynamik und Bildqualität

Ausgeliefert wird der Plustek OpticFilm 120 standardmäßig mit der Software SilverFast Ai Studio. SilverFast ermöglicht durch seine patentierte Multi-Exposure Technik einen effektiv nutzbaren Dynamikbereich von 4,01. Das ist schon ein sehr guter Wert.

Wir empfehlen ein Upgrade für die zusätzliche Bildbearbeitungssoftware SilverFast HDR zu ordern. So kommt man in den vollen Genuss der SilverFast Archive Suite. Angeboten wird damit obendrein eine Komplettlösung zur Organisation des digital angelegten Bildarchivs. Mit SilverFast spielt der OpticFilm 120 seine vollen Leistungsreserven aus. Plustek hat darauf verzichtet, eine eigene Scan-Software zu programmieren.

Bild 2 –Model: Leni Valentina Schömburg
(Digitalisierung: Plustek OpticFilm 120 / SilverFast Ai Studio)

Hier hört man Qualität

Die hohe Wertigkeit des Plustek OpticFilm 120 gefiel uns auf den ersten Blick: Hier haben wir es mit einer richtigen ‚Maschine‘ zu tun, die Unverwüstlichkeit ausstrahlt. Aus massiven Metall gefertigt, opulente Außenabmessungen (ca B21 x T38 x H19 cm), stattliches Gewicht (ca 6,3 kg) und üppiger Platzbedarf für die Aufstellung (ca 24 x 60 cm). Das verlangt nach einem aufgeräumten und gut zugänglichen Arbeitsplatz. Viele Schrauben an der Unterseite des Metallgehäuses lassen eine hohe Wartungsfreundlichkeit vermuten.

Geräuschlos verrichtet der OpticFilm 120 seine Arbeit keineswegs. Aber ehrlich gesagt, wir kennen keinen Scanner der leise arbeitet. Es rattert, quietscht und knackt hier aber nichts unangenehm. Vielmehr signalisiert der sonore Sound eher, hier wurde höchste Qualität an Komponenten verbaut.

Schnell ist der Scanner auch nicht. Nutzt man bei einem 6 x 6-Farbnegativ den RAW-Daten-Modus von SilverFast, einschließlich des Infrarot-Kanals (64 Bit HDRi) und Multi-Exposure, so ist man für einen vollständigen Scan etwa sieben Minuten unterwegs. Und produziert eine etwa ein Gigabyte große Datei, bei maximaler Auflösung (5300 dpi). Der OpticFilm 120 ist nach unserer Erfahrung nicht dafür konzipiert, riesige Bildarchive im Akkord zu digitalisieren. Dieses Gerät kauft man sich, um kompromißlose Qualität beim Einzelbild zu erzielen. Bild für Bild. So wie man Abzug für Abzug in der Dunkelkammer produziert.

Die Bildqualität im Fokus – ohne Auto

Wir hatten bei einem Gerät in dieser Klasse einen Autofokus erwartet. SilverFast beherrscht das Thema Fokus-Kontrolle nach unseren praktischen Erfahrungen mit verschiedenen, älteren Scannern (Nikon, Minolta) absolut perfekt. Der Fokus kann durch die Software äußerst präzise eingestellt und dadurch stets maximale Schärfe erreicht werden. Besonders gefällt uns bei diesen leider nicht mehr verfügbaren Scannern älterer Bauart, dass sich der Fokus-Punkt individuell bestimmen lässt. Diese Funktion bleibt uns beim Plustek versagt. Schade. Auch bleibt der Sanner weit hinter dem angekündigten 5300 dpi zurück. Unsere Messergebnisse mit einem SilverFast USAF-1951 Resolution Target brachten gerade mal knapp 2900 dpi zu Tage. Entsprechend kritisch hatten wir die ersten Scan-Ergebnisse aus dem OpticFilm 120 geprüft.

Technische Daten hin oder her, unser Argwohn verflog in der Praxis rasch: Vergleiche der Ergebnisse des OpticFilm 120 mit einem unser Trommelscanner haben uns dann auch tatsächlich sehr positiv überrascht: Der Plustek reizt die physikalischen Grenzen zum Trommelscanner so weit aus wie kein anderes uns bekanntes Gerät. Farbtreue, Detailreichtum bei kritischen Licht-/Schatten Situationen und Schärfe überzeugen. Wir konnten im Mittelformat keine Nachteile bei der Bildschärfe feststellen. Bevor die Glastrommel unseres Heidelberg Scanners mit nur einem Mittformat-Negativ aufwendig bestückt wurde, stellt die Schnelligkeit und herausragende Qualität des Plustek immer wieder eine signifikante Erleichterung und Zeiteinsparung in unserem Arbeitsalltag dar.

Auch beim Scannen von Kleinbildfilmen (Filmstreifen) gibt es von uns nichts zu beanstanden. Die Ergebnisse wirken im Virtuellen Leuchttisch von SilverFast HDR Studio brillant und scharf. Gleichwohl fielen uns mehr Kontrast und eine merkliche Betonung des Filmkorns bei Kleinbildfilmen auf, gegenüber älteren Filmscannern von Nikon, Minolta und Microtek. Der höhere Kontrast der OpticFilm 120 Scans sagt uns allerdings durchaus zu. Das mehr an sichtbarem Korn stört nicht. Mit dem SilverFast Werkzeug GANE lässt sich hier sogar etwas gegensteuern.

Die werksseitige Kalibrierung des optischen Systems durch Plustek scheint bei den genannten Anwendungen zuverlässig zu funktionieren. Plustek Ahrensburg bestätigte uns: Jeder Scanner, der von der Konzernzentrale aus Taiwan ausgeliefert wird, durchläuft bei den Local Services von Plustek ein umfassendes Qualitätsmanagement, bevor er an den Kunden ausgeliefert wird.

Der fehlende Autofokus ist tatsächlich leider beim Scannen von gerahmten Kleinbild-Dias nachteilig. Unterschiedliche Rahmenstärken führen zwangsläufig dazu, dass der Film irgendwann aus dem Fokus wandert. Scharfe Bilder lieferte der Scanner nach unseren Tests bei Diarahmen der Stärke 2,4 mm. Der Film liegt dann exakt im Brennpunkt der Optik. Bei einer Rahmenstärke von 1,7 mm ließ die Schärfe geringfügig nach. Weitere Versuche mit Rahmen der Stärke 3,1 mm endeten mit deutlich sichtbarer Unschärfe. Zum Digitalisieren gerahmter Dias empfehlen wir den OpticFilm 120 nicht. Wer Dias in großer Zahl scannen muss, ist mit einem Scanner aus der 8000er Reihe von Plustek gut bedient.

Allerdings reden wir bei dem OpticFilm 120 in der Hauptsache von einem Mittformat-Scanner. Den Job meistert er mit Bravour. Nebenbei ebenso das Digitalisieren von Kleinbild-Filmen. Noch dazu lassen sich aufgrund der auf Mittelformat ausgerichteten Scan-Fläche zwei Filmstreifen mit je bis zu 6 Kleinbild-Aufnahmen in einem Batch-Job verarbeiten. Was nochmal eine Zeitersparnis und einen höheren Automatisierungsgrad bedeutet.

Bild 3 –Model: Julia Shiva Abraham
(Digitalisierung: Plustek OpticFilm 120 / SilverFast Ai Studio)

Bildqualität ist nicht alles

Farben und Brillanz unserer Bilder im Virtuellen Leuchttisch von SilverFast Studio erinnern uns an Farben und Brillanz unserer Dias auf dem analogen Leuchttisch. Wir sehen bei den genannten Anwendungen des Scanners mehr Bildschärfe gegenüber unserem bisherigen Prozess. Den Heidelberg Trommelscanner mal ausgenommen.

Bildschärfe ist wichtig, aber nicht alles. Benutzerfreundlichkeit hat hohe Priorität. Bisher wurden Mittelformat-Vorlagen, wenn es schnell gehen sollte, mit einem Flachbettscanner mit Durchlichteinheit digitalisiert. Oder eben zeitaufwendig mit dem Trommelscanner. Hier punktet der neue Plustek-Scanner enorm im gesamten, wesentlich einfacheren Handling. Wir erhalten mindestens gleichwertige, häufig aber leicht besseren Ergebnissen. Ein größeres Datenvolumen als vom Flachbettscanner und damit der Puffer für mehr Bildvergrößerung, speziell bei Mittelformat ist zudem gegeben. Die Formatvielfalt bei Kleinbild und Mittelformat in einem Gerät vereint ist ein weiterer signifikanter Vorteil in der Prozessoptimierung beim Digitalisieren.

Reisebegleiter

Klein und leicht ist, wie gesagt was anderes. Aber dennoch ist der OpticFilm 120 mobil genug und für uns zum verlässlichen Reisebegleiter geworden. Zusammen mit einem Apple MacBook Pro, auf dem natürlich SilverFast installiert ist, haben wir bei unserem Reiseworkshop auf die Ostfriesische Insel Baltrum Ergebnisse unserer Workshop Teilnehmer gleich vor Ort entwickelt und gescannt.

Bild 4 –Model: Hannah Rumpf
(Digitalisierung: Plustek OpticFilm 120 / SilverFast Ai Studio)

Fazit

Die Messlatte für Bildqualität und Bedienkomfort liegt bei Plustek und LaserSoft Imaging hoch. Bewährte Hard- und Software wurden in zahlreichen Details optimiert. Und von den beiden Kooperationspartnern in einem soliden Gerät vereint. Investitionsschutz und Langlebigkeit scheinen gewährleistet. Insofern ist der Anschaffungspreis von etwa 2200 EURO für den Plustek OpticFilm 120 inklusive SilverFast Ai Studio nach unserer Meinung absolut gerechtfertigt. Dafür bekommt man das beste im Bereich Desktop-Scanner derzeit am Markt verfügbare an Qualität und Zuverlässigkeit.

Die Kernkompetenz dieses Scanners sehen wir dort, wo sich analog arbeitende Fotografen intensiv und kreativ mit dem Einzelbild auseinander setzen. Nicht schnelle Ergebnisse sind angesagt, sondern ein Optimum an hoher Qualität beim Einzelbild zu erzielen. Der OpticFilm 120 nebst dem vielseitigen SilverFast sind die logische und unverzichtbare Ergänzung zu hochwertigen Kameras und Objektiven.

Wenn Plustek nun auch noch einen Flachbett-Filmscanner anbieten würde, mit dem Großformatfotografen Bilder bis zu einer Größe von 8×10″ scannen könnten, würden wir wirklich in einer perfekten Scanner-Welt leben. Nur so eine Idee von uns an Plustek.

Ein analoges Fashion Project

Projekt: Analog Fashion Renaissance
Fotograf
: Marwan El Mozayen
Fashion-Design: Bartholomäus Philipp Moser-Wischnewski
Make-up: Lenchen of MakePinUp team, Carola Hickl
Technischer Assistent: Paul Figura
Kameras: Hasselblad ELM (Bilder 1, 2) – Minolta XM Motor (Bilder 3, 4)
Objektive: Carl Zeiss (Bilder 1, 2) – Minolta Rokkor 1,7 85mm (Bilder 3, 4)
Filme: Kodak Portra 160 (images 1, 2) – KODAK Professional Pro Image 100 (images 3, 4)
Digitalisierung: Plustek OpticFilm 120 / SilverFast Ai Studio

Gedruckte, ausführlichere Version des Projektes: SilvergrainClassics, Ausgabe 26.