Ich gehöre nicht zur Technikfraktion unter den Fotografiebegeisterten. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht an einer schicken mechanischen Kamera vorbeilaufen kann, ohne mit großen Augen daran hängen zu bleiben. Meine analoge Karriere begann, als meine Blicke vor ein paar Jahren von einer Leica M6 gefesselt wurden, die ich im Vorbeilaufen und spontan in der Fußgängerzone gekauft habe. Wer Leica kennt, weiß das sie die Königsklasse unter den Kameraherstellern sind. Die M6 war gut aber mit Kleinbild auf Film konnte ich mich nicht so richtig anfreunden und schon hatte ich schnell auf die größeren Formate geschielt. Siehe da, die Auswahl analoger Kameras im Mittelformat ist noch ziemlich gut und diversifiziert. Plaubel Makina und Bessa III fand ich sehr reizvoll, da sie sehr kompakt sind. Das bezahlt man allerdings mit fest verbauten Objektiven, die sich nicht wechseln lassen. Die Mamiya 7 hingegen unterstützt insgesamt 6 Objektive von 43 bis 210 Millimetern. Zudem sind diese Objektive dafür bekannt, dass sie zu den besten ihrer Klasse gehören. Was will man also mehr. Nach ein paar Überlegungen hatte ich mich entschieden.
Die Kamera mit Objektiv ist sehr groß. Man könnte fast schon sagen sie ist ein Monster; jedenfalls, wenn man sie neben einer normalen Digi-Cam sieht. Dennoch ist sie nicht übermäßig schwer. Mit einem 65er Objektiv (ca. 35mm Kleinbildäquivalent) wiegt sie ungefähr 1,8 Kilogramm. Damit ist sie in etwa genauso schwer wie eine 5dMarkIII mit 50er f1,2 Objektiv.
In der Messsucher-Szene und erst recht im Street-Genre hört man oft Argumente, dass eine Kamera diskret sein muss – was auch immer das heißt. Einige meinen, dass sie kompakt, schwarz und leise sein müsste, weil’s dann nicht so auffällt. Persönlich meine ich, spielt sich diese “Diskretion” in der Fotografie eher auf kommunikative Ebene zwischen Subjekt und Objekt ab, als im Bereich der Kameraeigenschaften in Form von Größe und Farbe. Gibt es doch viele großartige Fotografen, die Menschen auf der Straße mit großen oder gar übergroßen Kameras begegneten und begegnen.
Zurück zur Mamiya 7. Es ist also eine große leichte Kamera mit exzellenten Objektiven. Von der Kamera gibt es zwei Modelle: 7 und 7II. Das Aktuelle ist das Letztere und unterscheidet sich nur marginal zum Vorgänger. Die 7II Variante besitzt eine Möglichkeit zur Mehrfachbelichtung, einen etwas helleren Sucher und eine Gurtöse mehr, um sie für hoch oder quer aufhängen zu können. Des Weiteren gibt es bei der 7II noch eine Möglichkeit einen Kleinbildfilm einzulegen, um Panoramaaufnahmen zu machen. Von ihren fotografischen Eigenschaften sind beide Varianten der Kamera mehr oder weniger als gleichwertig zu betrachten.
Die Mamiya 7 besitzt die typischen Merkmale einer Messsucher-Kamera. Auslöser, Zeitenrad, Blende – das sind die drei wesentlichen Bedienelemente. Und das ist auch, was ich so liebe an diesen Kameras: Den Minimalismus. Da wird die Kamera selbst zur bildenden Kunst und zum Designobjekt. Typischerweise benutzt man sie mit Zeitautomatik. Man wählt also nur die Blende und Schuss. Wenn man will kann man natürlich auch alles einzeln steuern.
Die Kamera liegt sehr gut in der Hand. Film- oder Objektivwechsel gehen einfach und schnell. Der Auslöser schnalzt zurückhaltend aber dennoch deutlich und vor allem sehr leise. Ich benutze die Kamera mit drei Objektiven: 43mm, 65mm, 80mm. Auf Kleinbild gerechnet entsprächen diese Brennweiten ungefähr: 21mm, 32mm, 40mm; also klassische Reportage Brennweiten. Die Qualität der Objektive kann man nur als exzellent bezeichnen. Wie bei Messsuchern üblich, gibt es keinen Sucherrahmen für starke Weitwinkel. So auch hier bei der Mamiya 7. Zum 43er Objektiv gibt es einen separaten Sucher, den man in den Blitzschuh steckt. Der Sucher hat eine integrierte Wasserwaage (allerdings nur fürs Querformat), mit Hilfe derer man die Kamera exakt, sicher, schnell und ohne Stativ ausrichten kann. Daher eignet sich diese Brennweite auch besonders für Architekturaufnahmen.
Der Messsucher selbst ist wunderbar hell und klar. Beim Blick durch den Sucher, bekommt man auch die gemessene Belichtungszeit als rote Ziffer am unteren Rand eingeblendet. Wie man den Blick durch den Sucher wahrnimmt, könnt ihr euch in diesem kleinen Video anschauen:
Das Laden der Filme ist ähnlich wie bei anderen Mittelformatkameras. Die Mamiya 7 unterstützt 120er & 220er. Die Auswahl der jeweiligen “Filmlänge” muss man der Kamera mitteilen. Man kann beim Einlegen zwischen 120er und 220er konfigurieren. Dazu dreht man eine Platte, die innen am Filmdeckel sitzt. Leider wird das 220er Format hier in Deutschland kaum noch vertrieben, ergo wird man auch wenig oft in die Gelegenheit kommen das Format zu verstellen. Wie man einen Film lädt, könnt ihr euch hier anschauen:
Will man ein anderes Objektiv bei geladenem Film ansetzten, gibt es, verglichen mit Kleinbild-Messsucher-Kameras, noch eine Besonderheit: Jedes Objektiv der Mamiya 7 Familie besitzt einen eigenen Zentralverschluss. Nähme man das Objektiv nun einfach ab, blickte man auf den blanken Film. Um dies zu verhindern und um den Film vor Licht zu schützen, muss man einen separaten Vorhang zuziehen, bevor man das Objektiv abnimmt. Diverse Sperren sorgen dafür, dass man weder mit geschlossenem Vorhang fotografieren kann, noch bei geöffneten Vorhang Objektive wechseln kann. Eine Falle gibt es dennoch, in die man mindestens einmal tappt: Nimmt man den Objektivdeckel vor dem Auslösen nicht ab, war das Bild umsonst. Dafür gibt es keine Warnung. Auch die Belichtungsmessung teilt einem nichts außergewöhnliches mit, da sie nicht durchs Objektiv schaut.
Mit jedem Objektivwechsel benutz man also auch den objektiveigenen Verschluss. Dieser ist sehr präzise. Aber ihm ist sicher auch die „große“ Anfangsblendzahl geschuldet, die erst bei f4 beginnt. Nun könnte man meinen das wäre ein Makel, da gute Objektive heutzutage schon bei f1.4 oder wenigstens bei f2.8 loslegen. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen, denn wir fotografieren im Mittelformat. Hier ist einiges anders:
Lichtstärke: Davon kann man natürlich nie genug bekommen und f4 hört sich fast schon lausig an. Andererseits fotografiert man mit einer Messsucherkamera, die keinen Spiegel und somit keinen Schlag hat. Man kann getrost mit 1/15sec aus der Hand und knackscharf abbilden und gar noch sehr gute Ergebnisse mit 1/8sec erzielen. Die Zeiten schafft man mit einer SLR Kamera im Mittelformat nicht. Daher kann man die eine Blende Vorteil, die ein f2.8 Objektiv hätte, mehr als gut kompensieren.
Schärfentiefe: Natürlich will man alle Gestaltungsmittel parat haben und auch hier klingt Blende 4 jetzt nicht so prickelnd. Doch aufgepasst! Es wird wohl vielen so gehen, dass Blendzahlen immer mit Erfahrung aus dem Kleinbildbereich assoziiert werden. f4 auf Kleinbild hat aber eine ganz andere Schärfentiefe als f4 auf Mittelformat (bei gleicher Brennweite). Die Blende ist proportional zum Formatfaktor. Zur Illustration ein Beispiel: Ein 80mm Objektiv auf 6×7 Mittelformat entspricht circa einem 40mm Objektiv auf Kleinbild (wegen des Format/Crop Faktors). Mit den 80mm im Mittelformat hätte man bei f4 und einem Abstand zum Objekt von 1,5 Metern, eine Schärfentiefe von etwa 16,6 cm. Um im Kleinbild eine äquivalente Tiefe zu erreichen, müsste man das 40mm Objektiv im Kleinbild, was den gleichen Ausschnitt zeigte, etwa auf f2 aufblenden – in diesem Beispiel wäre also im Vergleich der Schärfentiefe f4 im MF äquivalent zu f2 im KB.
Das allerbeste nun, was man mit der Mamiya 7 machen kann, sind Bilder. Für Schwarzweißbilder benutze ich gerne den Klassiker: TriX. Bei Filmen mit höherer Empfindlichkeit spielt das Mittelformat seine Vorteile klar aus. Die Tonwertabstufungen sind herrlich und die Vergrößerungsreserven sind enorm.
Beispiele:
Auf dem Bild unten sehen wir die Eleganz der Dreifaltigkeitskirche von Speyer. Diesen allumfassenden Blick erreicht man nur von der hinteren Empore, welche zu ersteigen für Besucher aber nicht erlaubt ist. Als ich dennoch freundlich danach fragte wurde ich von einer resoluten Dame zurückgewiesen. Ein freundlicher älterer Herr jedoch, der auch zum „Personal“ gehörte, interessierte sich für die Mamiya 7II, die er an meiner Hand baumeln sah. Er hatte mich auch schon beobachtet, als ich nach ein paar Einstellungen suchte. Er meinte: „Das ist eine schöne Kamera“, und so kamen wir ins Gespräch. Schließlich gab er mir den Weg zur Empore frei und so konnte ich das Foto machen. Hier diente mir die Mamiya also nicht nur als Fotoapparat, sondern auch zur Kommunikation. Die Kirche ist sehr dunkel. Der TriX wurde auf ISO 1600 gepuscht und die Aufnahme aus der Hand mit 1/8sec geschossen.
Das nächste Foto zeigt das Getty Museum und seine imposante Architektur in Los Angeles. Dummerweise hatte ich nur noch zwei Bilder auf der Rolle. Die Mamiya 7 mit 43mm Objektiv und Aufstecksucher mit Wasserwaage ist aber absolut souverän, was solche Motive angeht. Man kann damit aus der Hand, absolut präzise und sehr schnell die Einstellungen vornehmen und braucht nicht einmal ein Stativ.
Für Farbfotos verwende ich gern den Fuji PRO 160NS. Mit dem 65er oder 80er Objektiv ist die Kamera perfekt als Reportageinstrument auf der Straße geeignet. Hier ein paar Impressionen aus Valencia mit der Mamiya 7II bei 65mm und einem Fuji PRO 160NS.
Zu guter Letzt ist die Freude nach jeder Filmentwicklung immer groß. Die Negative auf dem Leuchttisch mit einer 10x Lupe zu betrachten, ist ein Genuss. Und die Krönung ist natürlich der Print, der auch, was die Vergrößerungsmöglichkeiten angeht, unwahrscheinlich hohe Reserven hat.
Ich hoffe ich konnte euch ein paar Einblicke in die Welt der Mamiya 7 geben. Falls ihr mal die Möglichkeit habt, sie auszuprobieren, dann nur zu!
Text und Bilder: Michael Neumann