Die goldene Stunde im niederländischen Nieuwvliet naht! Schon seit Ewigkeiten wollte ich dies einmal auf Kodak Gold 200 festhalten. Das einzige Problem war nur, dass meine dafür vorgesehene Kamera, die Canon AV-1, bereits mit einem anderen Film belegt war. So habe ich mit der Goldrolle meinen Nikkormat EL beladen – und bin raus an den Strand.
Endlich am Strand angekommen, hatte ich es so eilig, dass ich gleich das erste Bild verschossen habe. Die Landschaft war so schön, und ich hoffte, vielleicht ein schönes „nulltes“ Bild zu bekommen. Das „nullte“ Bild ist ein Bild, auf dem schon beim Filmeinlegen ein Teilbereich belichtet wurde. Wie Ihr seht, hat das geklappt. Da ich den Film bei Lampenlicht eingelegt hatte, ist sogar noch in der Ladebelichtung die Landschaft zu erkennen.
Bei dieser Belichtung habe ich gemogelt, denn so dunkel wie auf dem Bild war es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. Aber um den Himmel dramatisch und die Sonnenschirme scherenschnittartig dunkel zu bekommen, habe ich einfach auf den Himmel gemessen und die Messwertspeicherung des Nikkormaten benutzt: einfach den Hebel für die Selbstauslösung in Richtung Objektiv drücken und bis zum Auslösen halten.
Ehrlich gesagt hatte ich Angst, dass das aufgesetzte Nikkor 50mm f/2 für den Kodak Gold ein wenig zu scharf sein könnte und so den Look zerstört. Nicht umsonst gilt nämlich diese Linse als eine der schärfsten ihrer Zeit. Am Ende hat sich diese Überlegung zwar bewahrheitet – die Bilder sind scharf –, aber dies tut dem Look keinen Abbruch.
Die goldene Stunde kommt immer zusammen mit tiefstehendem und schräg einfallendem Licht einher. Und genau das verstärkt Strukturen deutlich, weil das Licht in Vertiefungen kleine, aber deutliche Schatten wirft – so wie hier bei den Brettern an dieser Hütte:
An der flachen Wand dieser Hütte hingegen tritt der Effekt nicht auf, die Oberfläche erscheint weniger plastisch. Dafür kann man den Rost an den einzelnen Schrauben deutlich erkennen.
Was den Farblook angeht, muss ich nicht mehr viel zum Kodak Gold erklären. Er mag vor allem viel Licht und Rottöne. Die Farben der Hütte gibt er wunderbar wieder. Vor allem an der Banderole der zweiten Hütte erschafft er das typische Kodak-Rot. Allerdings übertreibt er ein wenig den Ansatz des Dünengrases.
Leider sind die Schatten deutlich blau, weil sie vom Blau des Himmels bestrahlt werden. Das ist ein kleiner Nachteil der goldenen Stunde. Mit einem Gelbfilter hätte ich den Effekt ein wenig abschwächen können. Mit einem leichten Rotfilter hätte ich ihn sogar ganz ausschalten können. Und mit einem billigen Filter sogar gleich noch die Schärfe reduzieren.
Um etwas mehr von der Landschaft aufs Bild zu bekommen, habe ich dann nach einer Weile auf das Nikkor 35mm f/2.8 gewechselt und diese Szene hier sorgfältig belichtet. Wenn es nämlich eines gibt, das Belichtungsmesser noch stärker verwirrt als Wasseroberflächen, dann sind es nasse Oberflächen wie dieser nasse Sand. Ich habe also mit meinem Lunasix 3 eine Lichtmessung gemacht. Das hat sich gelohnt, der Tonwertumfang ist fast perfekt getroffen. Die dunklen Stellen des Strandes haben noch ausreichend Zeichnung. Nur die Sonne und ihre Spiegelung im flachen Wasser sind ausgefressen.
Klasse ist auch, wie gut der Kodak Gold mit den vielen blauen und violletten Tonabstufungen zurecht kommt. Nur das mit dem Sternchenfilter hätte ich besser lassen sollen, im Nachhinein betrachtet.
Das ständige Neumessen für jede Wolke, die sich vor die Sonne schiebt, war zwar etwas anstrengend, aber in meinen Augen auch der Mühen wert. Hier habe ich extra noch eine Stufe Minus gegeben, um erneut den Scherenschnitt-Effekt zu erhalten. Auch hat in dieser Komposition der Sternchenfilter etwas mehr Daseinsberechtigung.
Allein das Blau des Himmels ganz oben geht mir etwas zu sehr in Richtung Matschgrau. Dafür ist aber der Moment gut getroffen, in dem der Junge scheinbar gerade einen Stein wirft. Dieses Bild enstand übrigens wieder mit dem 50mm. Mit dem 35mm habe ich es meist einfach nicht geschafft, das Bild anständig zu füllen.
Bilder am Strand mit zu viel Boden wirken oft verloren. Um mit dieser Verlorenheit etwas Sinnvolles anzufangen, braucht man schon eine Gelegenheit wie diese. Wenn ich hier noch eine weitere Minusstufe genommen hätte, wäre wohl auch der Schatten auf dem Bild so eindrucksvoll, wie er in echt war – aber dafür hat der Kodak Gold wohl einfach einen zu hohen Dynamikumfang.
Festhalten lässt sich: Der Kodak Gold kann mehr Schärfe aufnehmen, als man ihm zutraut – aber dass man ihm diese Schärfe nicht unbedingt geben muss. Wahrscheinlich wäre der Look mit der Canon AV-1 und dem Maginon Serie-G 50mm f/1.7 und einem billigen leichten Rotfilter besser rübergekommen. Dann wäre aber das Spiel mit der Belichtung so nicht möglich gewesen. Die Messwertspeicherung und die Möglichkeit, Verschlusszeit und Blende frei zu wählen, sind in solchen Situationen „Gold“ wert.
–Danny