Nim dein Tele (Teil 4)

Tamron Adaptall-2 SP 300mm f2.8 LD IF (Model 60B)

Von Marwan El Mozayen / SilvergrainClassics

Einführung

Das Tamron Adaptall-2 SP 300mm f2.8 LD IF (Model 60B) erschien 1984 als professionelles, kompaktes und lichtstarkes 300-mm-Teleobjektiv auf dem Markt. Es verfügt über ein spezielles Glas mit geringer Dispersion und über ein internes Fokussiersystem. Es wurden 43-mm-Rückfilter mitgeliefert, die in einem Einschubfach gesteckt werden. Mit dem Konverter Tamron SP 1.4x (140F) kann das Tamron in ein 420-mm-Objektiv mit Anfangsöffnung 4 und mit dem Konverter Tamron SP 2x (01F or 200F) in ein 600-mm-Objektiv mit Anfangsöffnung 5,6 erweitert werden.

Ein Objektiv für jede Kamera

Das Tamron Adaptall-2 SP 300 mm f2,8 LD IF (60B) war etwas Außergewöhnliches auf dem Markt. Es gehörte zu einer Reihe von Objektiven, die über einen komplexen Wechseladapter an fast jede Spiegelreflexkamera auf dem Markt adaptiert werden konnten. Dabei wurde die Übertragung entweder aller oder doch wenigstens der wichtigsten Automatik- und Programmfunktionen unterstützten. Wer sein Kamerasystem wechselte oder mehr als ein System verwendete, wechselte einfach nur den Adapter nach Bedarf.

Die ersten Adaptall-Objektive kamen bereits 1973 auf den Markt, gefolgt von der Adaptall-2-Serie Anfang der 1980er Jahre. Zwischen 1979 und 1993 führte Tamron SP-Objektive für ambitionierte Fotoamateure und Profifotografen ein. Die meisten dieser Objektive waren noch bis in die 1980er und 1990er Jahre verfügbar. Die Einstellung der Produktionen für das Tamron SP 500 mm F8 Spiegelobjektiv und das hier besprochene lichtstarke Tamron SP 300 mm F2.8 LD-IF Teleobjektiv erfolgten erst 2006.

Tamron erweiterte sein Angebot als Drittanbieter zusätzlich zu seinen Amateur-Objektiven durch Einführung der Pro-Line für Profifotografen. Und das zu einem erheblich günstigeren Preis als vergleichbare Originalobjektive der Kamerahersteller. Sie waren die einzigen Tamron-Objektive mit Low Dispersion [LD]-Glas. Insgesamt erschienen vier Objektive in dieser Serie auf dem Markt: SP 80-200 f2.8 LD (30A); SP 180mm f2.5 LD IF (63B); Tamron SP 300mm f2.8 LD IF (60B) und das Tamron SP 400mm f4 LD IF (65B).

Während das SP 80-200 f2.8 LD (30A) Zoom nur ein LD-Element enthält, verfügen alle anderen Objektive der Serie über jeweils zwei dieser Spezialgläser. Die Verwendung von LD-Glas ist an dem hellgrünen Streifen auf dem Objektiv-Tubus zu erkennen. Vermarktet hatte Tokina die kleineren Objektive in schwarzer Ausführung, während die größeren Objektive olivgrün sind, mit jeweils identischen Gegenlichtblenden. Das 300-mm-Objektiv (f2,8) gab es jedoch in einer früheren, sehr seltenen weiße Version mit einem roten Streifen auf dem Tubus (107B).

Juliette, ADOX COLOR MISSION, Leicaflex SL2, Tamron Adaptall-2 SP 300mm f2.8 LD IF (Model 60B)

Das Zubehör sollte vollständig sein

Nach diesem kleinen Exkurs über die Grundlagen langbrennweitiger Tamon-Objektive, widmen wir uns nun dem Tamron SP 300mm f2.8 LD IF. Dieses interessante Objektiv kann man hin und wieder zu einem erschwinglichen Preis bei Internet-Auktionen erwerben.

Wer sich für dieses Objektiv interessiert, sollte auf jeden Fall darauf achten, das vollständige Set zu erwerben. Tamron bot das Objektiv in einem Koffer an, der neben dem Objektiv selbst auch Zubehör wie einen Objektivdeckel, eine Gegenlichtblende, einen Einsteckfilter und einen 1,4-Telekonverter sowie einen Handgriff enthielt. All diese Einzelteile sind im Nachhinein als Zubehör auf dem Gebrauchtmarkt nur schwer zu finden.

Charys, Kodak T-MAX P 3200, Leica R7, Tamron Adaptall-2 SP 300mm f2.8 LD IF (Model 60B)

Professionelle Ausstattung

Wenn du das Objektiv zum ersten Mal in der Hand hält, wird dir sofort sein beträchtliches Gewicht auffallen, was jedoch der sehr hohen Verarbeitungsqualität geschuldet ist. Das Metallgehäuse ist makellos gefertigt. Alles bewegt sich präzise und ohne Spiel. Das innen gelagerte Fokussieren ist ein Vergnügen und verändert die Länge des Objektivs nicht.

Tamron selbst sprach von einem „Variable Pitch“. Das bedeutet, dass sich die Fokussierung im Unendlichkeitsbereich durch eine kleine Drehung, im Nahbereich dagegen durch eine etwas größere Drehung verändert. Das unterstützt eine hohe Präzession beim arbeiten. Dazu kommt als weitere Hilfe eine voreingestellte Fokus-Klick-Einstellung, um den Fokus schneller anzupassen.

Der Stativanschlussring weist Raststufen in 90°-Intervallen auf. Die Gegenlichtblende wird über eine Bajonettverbindung montiert. Sie ist auffallend groß, was unerwünschte Reflexionen und Kontrastverluste vermeidet. Die Gummibeschichtung des Fokussier-Ringes sieht bei meinem Exemplar trotz seines Alters noch sehr gut aus. Leider habe ich die Erfahrung bei etlichen älteren Objektiven gemacht, dass diese unangenehm klebrig werden können.

Charys, Kodak T-MAX P 3200, Leica R7, Tamron Adaptall-2 SP 300mm f2.8 LD IF (Model 60B)

Das Tamron Adaptall-2 SP 300mm f2.8 LD IF in der Praxis

Manueller Fokus und der Adaptall-Anschluss, passend für fast jede Spiegelreflexkamera: das waren die Zutaten für Tamrons erfolgreiches Adaptall-System. Die typischen Kunden des Unternehmens waren zwar meist Amateure. Jedoch mit dem hier besprochenen Objektiv hatte das Unternehmen vor allem Profis und Semi-Profis als Zielgruppe im Blick.

Mit dem 300 mm f2,8 LD IF (Modell 60B) gelang es Tamron, ein preisgünstiges, extrem leistungs- und lichtstarkes Teleobjektiv zu entwickeln, das den Anforderungen der anspruchsvollsten Profifotografen gerecht wurde. Nach damaligen Erfahrungswerten und Testberichten eignete sich dieses Objektiv perfekt für schnelle Sportaufnahmen. Das helle Sucherbild aufgrund seine Anfangsblende von 2,8 war auch hervorragend für Aufnahmen bei Theater- und Konzertveranstaltungen geeignet. Die Neun-Lamellen-Blende hat eine fast kreisförmige Öffnung, die ein weiches Bokeh verspricht – eine ideale Voraussetzung für Porträts.

Charys, Kodak Portra 800, Leica R7, Tamron Adaptall-2 SP 300mm f2.8 LD IF (Model 60B)

Shooting mit dem Tamron bei extremen Temperaturen

Anfang 2021 hatten wir für einen Artikel ein Fotoshooting in einem Eisenbahnmuseum durchgeführt. Die Temperaturen lagen weit unter dem Gefrierpunkt und wir mussten regelmäßig Pausen einlegen, um uns aufzuwärmen. Eine der Kameras, die in Kombination mit dem Tamron verwendet wurde, war die Leica R7. Mit dem passenden Leica R-Adapter am Objektiv funktionierte die Kamera einwandfrei, als wäre es ein Leica-Objektiv. Alle automatischen und manuellen Funktionen arbeiteten einwandfrei. Sogar die Suchereinspiegelung des Blendenwertes funktionierte. An dem bewölkter Aufnahmetag waren ein Einbeinstativ und der Kodak Portra 800 unbedingt erforderlich.

Alles an diesem Objektiv ist mechanisch sehr gut verarbeitet, alles lief auch nach vielen Jahren und trotz niedriger Außentemperaturen noch butterweich.

Ein weiterer Test erfolgte im Sommer 2022 während eines unserer beliebten Feierabend-Fotoshootings. Diesmal mit einer Leicaflex SL2 MOT in Kombination mit dem ADOX Color Mission 200 Farbnegativfilm. Auch diesmal mit Unterstützung durch ein Einbeinstativ.

Wenn man mit einem solchen Objektiv Models in Bewegung fotografiert, ist es sinnvoll, das Foto im Voraus zu planen. Ein erfahrenes Model ist hilfreich, das auf Kommando im vorab geplanten Fokusbereich läuft.

Was die Bildqualität betrifft, ist meine Wahrnehmung, dass sie bei f2.8 wirklich scharf und bei f5.6 gestochen scharf ist. Der niedrige Preise des Objektivs und die für Fremdobjektive ungewöhnliche Möglichkeit, das Objektiv ohne nennenswerte Einschränkungen an fast alle vorhandenen Kamerasysteme anbringen zu können, mag ja Argwohn wecken. Ich konnte aber keinerlei Kompromisse in der Ergebnisqualität nach unseren Shootings entdeckten.

Das Bokeh ist der einzigste kritische Punkt

Aber Schärfe ist nicht alles. Meine Bilder weisen zudem einen angenehmen Kontrast auf. Die Farbbalance ist für meinen Geschmack etwas zu kühl. Das einzige Problem, das ich mit dem Objektiv habe, ist das Bokeh. Ich verwende das 300 mm f2.8 gerne für Modelaufnahmen, und dort ist das Bokeh für mich ein ziemlich wichtiges Merkmal. Mein anderes Objektiv in dieser Klasse ist das Minolta 300mm f/2.8 APO G AF. Bei diesem Objektiv finde ich das Bokeh in fast jeder Aufnahme viel ausgewogener und weicher, als beim Tamron. Das soll nicht heißen, dass das Bokeh des Tamron grundsätzlich schlecht ist. Es hängt bei den Bildergebnissen viel von der Beschaffenheit des Hintergrunds und den dortigen Kontrasten sowie von der Körnigkeit des Films ab. Je nach Kombination passt es ausgesprochen gut. Es gibt jedoch Situationen, in denen das Bokeh eher dem eines Spiegellinsenobjektivs gleicht. Und das stört mich in der Tat sehr. Letztlich ist aber das Bokeh eines Objektivs wiederum subjektiv und eine Geschmackssache.

Qualitätskriterien der Digitalfotografie sind für die Filmfotografie irrelevant

Recherchiert man im Internet nach Informationen über dieses Objektiv, so findet man vor allem in vielen Nikon-Foren zahlreiche kontroverse Diskussionen. Abgesehen davon drehen sich die meisten Diskussionen um die Auswirkungen chromatischer Aberrationen, insbesondere bei Digitalkameras, die für die Filmfotografie eher irrelevant sind. Oft findet man die Meinung, dass die entsprechenden Nikon-Objektive im direkten Vergleich so viel besser sind. Ich persönlich habe meine Zweifel, dass die Unterschiede so extrem sind, und daher sollte man sich von solchen Dingen nicht wirklich beunruhigen lassen. Ich persönlich bin mit den Ergebnissen des Tamron Adaptall-2 SP 300mm f2.8 LD IF trotz der genannten Einschränkungen rundum zufrieden.

Auffällig ist, dass trotz der sehr hohen Verarbeitungsqualität des Objektivs die grüne Lackierung des Objektivtubus recht kratzempfindlich ist. Dies hat zwar keinen Einfluss auf die mechanische oder gar optische Qualität, aber wer Wert auf ein gepflegtes Äußeres legt, muss bei häufigem Gebrauch sicherlich mit dem einen oder anderen Kratzer leben.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Tamron Adaptall-2 SP 300mm f2.8 LD ein kompaktes, gut ausbalanciertes Profi-Objektiv mit hervorragender Optik und präzisem manuellem Fokusmechanismus ist, das sowohl ohne als auch mit dem im Kit enthaltenen SP 140 1,4X-Telekonverter hervorragende Ergebnisse liefert. Wer 600 mm benötigt, erhält mit dem hauseigenen 2X-Telekonverter von Tamron etwas weichere Bildergebnisse.

Angesichts der niedrigen Preise auf dem Gebrauchtmarkt und der Vielseitigkeit des Adaptersystems ist es sein Geld auf jeden Fall wert.

Technische Daten

Markteinführung: 1984
Abgekündigt: 1992
Preis (Japan): ¥372,000
Brennweite: 300mm
Blenden-Reihe: f2.8-32
Bildwinkel: 8°
Optische Konstruktion (Gruppen / Elemente): 7 / 10
Minimale Entfernungseinstellung: 2,94m
Filter-Größe: 43mm (hinten), 112mm (vorne)
Durchmesser: 117.5mm
Länge mit Nikon-Adapter: 215mm
Gewicht: 2096g

Hinweis

Dieser kostenlose Beitrag stammt von der SilvergrainClassics Redaktion und wurde aus dem Englischen übersetzt.

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