Das Geheimnis der analogen Fotografie – Teil 1

Ich fotografiere seitdem ich dreizehn Jahre alt bin. Schon zuvor hatte ich mich hin und wieder mit meiner dunkelgrünen Digitalkamera ausprobiert. Zu meiner Firmung schenkten meine Eltern mir meine erste Spiegelreflexkamera. Seit diesem Tag, vor ungefähr zehn Jahren, ist die Kamera mein ständiger Begleiter.

Ich reise viel und gerne und insbesondere auf Reisen ist es mir wichtig, die Erinnerungen fotografisch festzuhalten. In dem Regal in meiner Studenten-WG reihen sich unzählige Fotobücher aneinander. Irgendwann habe ich aufgehört die Stunden zu zählen, die ich damit verbringe Bilder zu sortieren. Zwei Wochen Backpacking bedeuten mindestens zweitausend Bilder. Mit einer 64 GB Speicherkarte und der digitalen Fotografie stellt das im Jahr 2019 kein Hindernis mehr dar. Doch schon länger plagt mich ein Gedanke: Zwar bringe ich von jeder Reise ein Fotobuch mit nach Hause, doch die Welt sehe ich nur noch durch eine Linse. Mir fehlt es den Moment zu genießen. Während andere gebannt beobachten wie die Sonne im Meer versinkt, überlege ich, welcher Winkel dieses Schauspiel am besten einfängt.

Seitdem ich in Bamberg studiere und mein Ziel verfolge Journalistin zu werden, habe ich mich intensiver mit der Fotografie auseinandergesetzt. Auf all die schönen Erinnerungen möchte ich nicht verzichten, doch mir fehlt die Authentizität der Fotos und der stressfreie Augenblick. Ein Studium zu beginnen bedeutet, in ein neues Umfeld zu kommen und sich mit neuen Menschen auszutauschen. An einem Frühlingsausflug mit meinen neuen Freunden finde ich die Lösung.

Meine Spiegelreflexkamera lag zuhause im Schrank, denn ausnahmsweise wollte ich den Tag genießen ohne auf der Jagd nach dem perfekten Motiv zu sein. Dieser Umstand bot mir die Möglichkeit, zwei meiner Freunde beim Fotografieren zu beobachten. Nach kürzester Zeit befinden sich auf der digitalen Kamera meines Freundes über hundert Aufnahmen. Ich kenne das. Jedes Motiv wird vier oder fünffach aufgenommen. Mein Freund verändert den Winkel, die Einstellungen und macht sicherheitshalber ein paar Fotos mehr.

Mein zweiter Freund betätigt den Auslöser seiner Kamera nur selten. Bei seiner Kamera handelt es sich um eine Canon AE-1 Program mit einem Objektiv FD 28mm 2.8, eine analoge Kamera. Eingelegt ist ein Agfaphoto CT Precisa. Die Kamera ist klein und trotzdem ein Hingucker. Ein schwarz-silbernes Gehäuse umschließt den Film, sanft und gleichzeitig schwer liegt sie in der Hand, von Plastik keine Spur.

36 Aufnahmen passen auf den Film. Das bedeutet 36 Fotos für einen Tag, an dem ich normalerweise 250 Bilder machen würde. Ich bitte darum, selbst ein paar Aufnahmen erstellen zu dürfen. Schon die Herangehensweise ist eine völlig andere. Ich schieße nicht wahllos drauf los, denn ich habe keine Möglichkeit das Ergebnis zeitnah auf einem Display zu kontrollieren. Ich suche gezielt nach einem schönen Motiv und fokussiere mich für einen Moment ausschließlich auf die Kamera. Der erste Versuch ist auch der letzte. Platz zum Ausprobieren ist auf dem Film nicht. ISO-Wert, Blende, Belichtungszeit, Bildkomposition und Winkel müssen stimmen.

Diese Art der Fotografie fasziniert mich. Die alte Technik spricht mich an, ich empfinde sie als stilvoller als die Moderne. Doch vor allen Dingen bietet mir die Filmfotografie das wonach ich gesucht habe. Ich kann besonders schöne Motive als Erinnerung festhalten, eine Minute investieren um ein Foto zu machen. Doch ich investiere nicht mehr, denn wer weiß wofür ich die verbleibenden 35 Bilder auf dem Film noch brauche? Nach einem Foto weicht die Kameralinse dem Augenblick.

Ich fotografiere analog seitdem ich dreiundzwanzig Jahre alt bin. Wenn mir jemand zuvor gesagt hätte, dass die Woche, die ich jetzt auf meine Filmentwicklung warten muss sich wie die dreiundzwanzig Jahre anfühlt, hätte ich mir das vielleicht nochmal überlegt. 😉

 

Ein Beitrag von Maike Schulte

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