„Hauptsache nichts mit Menschen“ – wie ich zur People-Fotografie kam

Von Heiko Zimmer

Meine bisherige fotografische Welt war komfortabel. Nach einigen Jahren der Fotografie hatte ich mich auf minimalistische, statische Motive eingeschossen. Dabei habe ich gerne Altes fotografiert, oft auch mit einem Hang zum Maroden. Die technische Ausrüstung war dafür meist überschaubar: Eine Kamera mit maximal zwei Wechselobjektiven, bei Bedarf ein Stativ. Künstliches Licht habe ich nie verwendet, ebenso noch nie im Studio gearbeitet.

People-Fotografie fand ich schon immer sehr spannend, technische und organisatorische Hemmnisse haben mich jedoch immer wieder davor zurückschrecken lassen. Wie funktioniert das mit dem Licht? Wie setzte ich eine Person so in Szene, dass etwas Ansprechendes entsteht? Wie finde ich ein Model, dass meinen Erfahrungsmangel ausgleicht? Deswegen habe ich quasi nie Menschen fotografiert.

In Anlehnung an einen Songtext habe ich mein Portfolio mit dem Motto: „Hauptsache nichts mit Menschen“ betitelt – ich war in meinem Komfortbereich gefangen!

Als ich die Ankündigung des „Film-Noir-Workshop“ des Silvergrain Classics Studios gelesen habe, erkannte ich spontan viele Parallelen zu meinen Vorlieben: Die Motive eher Retro, reduzierte Bildaufbauten und kontrastreiche Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Gleichzeitig aber auch viele (zu viele?) Dinge außerhalb meiner Komfortzone: Künstliches Licht, Studioumgebung und nicht zu vergessen: Menschen als Motiv!

Ein Anruf bei Marwan vom Silvergrain Classics Studio konnte einen Großteil meiner Zweifel beseitigen. Zumindest auf der technischen Seite würde man mich hier bei der Hand nehmen. Bleibt noch das mit den Menschen… Rina sei ein tolles, erfahrenes Modell, hieß es hierzu. Das war schon mal beruhigend. Zweifel hatte ich jedoch immer noch.

Nach etwas Bedenkzeit wagte ich den Schritt aus der Komfortzone. Ich meldete mich zum Workshop an. Ob das gut gehen würde?

Der Workshop fand in einer kleinen Gruppe in den Silvergrain Classic Studios in Bad Nauheim statt. Die technischen Aspekte wurden sowohl theoretisch als auch praktisch im Laufe des Shootings sehr anschaulich vermittelt. Durch die geringe Anzahl der Teilnehmer hatte jeder Einzelne sehr viel Zeit, Fragen zu stellen und ausgiebig alles auszuprobieren. Die Atmosphäre war sehr herzlich und entspannt. Man konnte deutlich spüren, dass alle Beteiligten mit sehr viel Herzblut und Engagement dabei waren. Das äußerte sich unter anderem darin, dass der erste Workshop-Tag nicht planmäßig um 17:00 Uhr endete, sondern noch eine spontane Zugabe auf dem Balkon dazukam. Bei dieser hat unser Modell Rina bei einstelligen Temperaturen geduldig bis 22:00 Uhr auf dem Balkon ausgeharrt – in einem Sommerkleid!

Überhaupt hat Rina mir den Einstieg in die Peoplefotografie sehr leicht gemacht. Meist haben ein paar Stichworte gereicht und sie hat Posen, Mimik und Gestik nach meinen Vorstellungen umgesetzt. Manchmal kam es mir fast so vor, als könnte sie meine Gedanken lesen, so gut hat sie meine Ideen umgesetzt. Dabei war sie stets konzentriert, geduldig und gut gelaunt. Das war ja einfach! Am zweiten Tag wurden die Filme des Vortags entwickelt, anschließend die Abzüge vergrößert.

Mit der Filmentwicklung war ich bereits vertraut, aber vergrößert hatte ich bis dahin noch nicht. Nochmal Neuland für mich. Dank guter Anleitung war auch dies kein Problem. Und so habe ich beim Film-Noir-Workshop nicht nur meine persönlichen Grenzen ausgetestet und erweitert, indem ich Menschen fotografiert habe, ich habe auch den magischen Moment, in dem sich das Bild in der Entwicklerschale aufbaut, kennengelernt. Als ich den Workshop verlassen habe, war klar: „Jetzt öfters mal mit Menschen!“. Und eine Dunkelkammer brauche ich auch!

 

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