Nina Kordes

„Film lehrt mich, loszulassen, mich selbst weniger zu kritisieren
und mir Fehler zu erlauben“

Von Hermann Groeneveld / SilvergrainClassics

Hermann Groeneveld, SilvergrainClassics (HG)

Hallo Nina, schön, dass du mit uns im Mai auf Baltrum warst. Die einzigste Frau. Und die einzigste Profi-Fotografin – du bis Familien- und Hochzeitsfotografin. Erzähle uns gerne ein wenig mehr über dich, deine Arbeit, deine Ideen und Ziele in deiner Fotografie.

Nina Kordes, Nina Kordes Photo (NK)

Ich fotografiere schon lange digital – auch beruflich. Aber seit ich die analoge Fotografie für mich entdeckt habe, hat sich etwas verändert. Sie inspiriert mich auf eine ganz andere, tiefere Weise.

Inzwischen bringe ich die analoge Fotografie auch immer öfter in meine Arbeit mit Kundinnen und Kunden ein, wenn ich zum Beispiel Familien fotografiere oder Hochzeiten. Ich habe vor, in Zukunft noch mehr kreative Sessions auf Film umzusetzen – gern auch in Zusammenarbeit mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Ich liebe atmosphärische Porträt-Shootings, die nicht einfach „schön“ sind, sondern Geschichten erzählen.

Die Naturaufnahmen von Baltrum sind eigentlich nicht typisch für mein Portfolio – und trotzdem spiegeln sie meine Stimmung und die Atmosphäre, die ich transportieren möchte, ganz wunderbar wider.

HG

Warum fotografierst du auf Film? Welche Bedeutung hat der Film in deinem Leben?

NK

In gewisser Weise ist die analoge Fotografie für mich auch eine Form von Kunsttherapie. In unserer heutigen Zeit leben wir oft so sehr in unseren Gedanken; manchmal bekomme ich das Gefühl, darin zu ertrinken. Die analoge Fotografie hilft mir, aus diesem Gedankenkarussell auszusteigen. Sie ist eine Art Entschleunigung, eine Meditation. Da man die Bilder nicht sofort kontrollieren oder ‚verbessern’ kann, bleibt mehr Raum dafür, den Moment wirklich zu spüren.

Ich erinnere mich an diesen einen Morgen auf Baltrum: Es war noch sehr früh, windig und bitterkalt. Ich konnte meine Finger kaum bewegen, und mein Rücken spürte schon den schweren Rucksack mit der Ausrüstung, die wir zum Strand geschleppt hatten.
Doch als ich begann zu fotografieren, merkte ich nach einer halben Stunde, dass mein Kopf plötzlich ganz still war. Ich war im Flow, ganz im Moment, ohne die üblichen kreisenden Gedanken. Es fühlte sich so befreiend an – und trotz der Anstrengung war es unglaublich schön. Ich habe nicht ständig an der Kamera herumgefummelt oder bin durch Bilder auf einem Monitor geblättert. Ich genoss einfach den Sonnenaufgang.

Dank Film kann man auch viel über sich selbst lernen. Ich habe gelernt, loszulassen, mich selbst weniger zu kritisieren und mir Fehler zu erlauben. Film ist für mich fast zu einer Sucht geworden. Als ich einmal damit angefangen hatte, konnte ich einfach nicht mehr aufhören. Man kann ständig etwas Neues lernen, es wird nie langweilig. Es gibt so viele Möglichkeiten, so viele kreative Techniken und Ideen, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.

HG

Was erhoffst du dir von der Zukunft des Films?

NK

Ich freue mich riesig zu sehen, dass die analoge Fotografie wie ein Phönix aus der Asche aufsteigt und immer präsenter wird. Nun hoffe ich, dass sie sich weiterentwickelt – und dass wir in manchen Bereichen wieder mehr auf Qualität statt auf Quantität setzen.

Besonders wünsche ich mir mehr Austausch im echten Leben: eine stärkere Community, mehr Begegnungen, mehr Kurse, mehr Möglichkeiten zu lernen – gemeinsam, analog, im echten Dialog. So wie beim Workshop von SilvergrainClassics auf Baltrum.

HG

Mit welchen Kameras arbeitest du?

NK

Zufälligerweise stieß ich eines Tages auf eine alte Leica R3, die in unserer Familie lange in Vergessenheit geraten war. Als ich begann, damit zu fotografieren, war es um mich geschehen. Da ich damals keinerlei Ahnung von analoger Fotografie und Kameras hatte – und die Leica leider zur Reparatur musste , lernte ich auf diesem Weg einen großartigen Menschen kennen, der mich unterstützt und beraten hat: Ralf Bertram von Leica Store Hamburg. Er hat mich in die Leica-Welt eingeführt. So bin ich bei Leica geblieben.

Dank meines kleinen „Gear Acquisition Syndromes“ besitze ich inzwischen auch andere Kameras – aber am allerliebsten fotografiere ich mit meiner Leica M-A.
HG

Mit welchen Filmen arbeitest du am liebsten?

NK

Momentan fotografiere ich ausschließlich auf 35mm-Film. Das kleine Format, die Kompaktheit der Kamera und die unkomplizierte Arbeit mit 35mm-Film in der Dunkelkammer geben mir eine wunderbare Freiheit beim Fotografieren. Außerdem verreise ich gern mit wenig Ausrüstung – das passt perfekt dazu.

Allerdings habe ich mir fest vorgenommen, bald auch andere Formate und Techniken auszuprobieren. Mal sehen, wo die Reise hingeht.
Was die Filme selbst angeht, liebe ich Schwarzweiß – besonders die Delta-Reihe und den FP4 von Ilford. Ich mag diesen klassischen Look. Auch wenn ich mit anderen Materialien experimentiere, gerade auch mit Farbe, lande ich am Ende doch immer wieder bei den Klassikern.

Einen Lieblingsfarbfilm habe ich bisher nicht – ich teste gerade viel mit Cinestill. Kodak Gold ist natürlich ein perfekter Urlaubsfilm für mich.

HG

Was passiert, wenn du einen Film belichtet hast?

NK

Mein Workflow ist eigentlich ganz einfach. Ich entwickle und vergrößere meine Schwarzweißfilme in meiner kleinen Dunkelkammer zu Hause.

Es ist schon witzig – die analoge Fotografie hat mir so viel Geduld beigebracht! Man sieht das Ergebnis beim Fotografieren nicht sofort, und manchmal bleibt ein Film wochenlang in der Kamera, bevor er voll ist. Aber sobald er endlich herauskommt, kann ich es kaum erwarten, in die Dunkelkammer zu laufen, um ihn zu entwickeln. Und spätestens am nächsten Tag ist der Film dann auch schon gescannt.
„Scannen“ ist allerdings nicht mein Lieblingsteil der Geschichte – deshalb muss es schnell und unkompliziert gehen. Ich fotografiere die Negative einfach mit einer Digitalkamera ab und konvertiere sie mit NLP (Negative Lab Pro). So bekomme ich schnell einen guten Überblick über die Ergebnisse und weiß, in welche Bilder ich später mehr Zeit investieren möchte. Danach mache ich Kontaktabzüge in der Dunkelkammer und vergrößere meine Lieblingsbilder ganz klassisch auf Papier.
Farbfilme lasse ich in meinem Lieblingslabor entwickeln und scannen. Ich hoffe allerdings, bald zu lernen, wie man Farbfilme selbst vergrößert – dann mache ich das auch zu Hause.
HG

Nina, ganz herzlichen Dank dafür, dass du deine Gedanken und Ideen mit uns teilst. Danke für deine Bilder. Wir wünschen dir ganz viel Freude auf deinen fotografischen Entdeckungsreisen und viele spannende Projekte.

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