Nim dein Tele (Teil 2)

Hasselblad Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm

Von Marwan El Mozayen / SilvergrainClassics

Christina Heppenheim, fotografiert auf Kodak Portra 400, mit dem Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm

Teleobjektive scheinen weniger begehrt zu sein als Weitwinkelobjektive. Ein Grund dafür ist sicherlich die Tatsache, dass in der analogen Bilderwelt Messsucherkameras derzeit den Markt dominieren. Da kommt man bei 90 mm Brennweite schon in einen Bereich, der mit viel praktischer Erfahrung gerade noch beherrschbar ist. Natürlich schrecken auch die schiere Größe und das enorme Gewicht von Telebrennweiten manchen Spiegelreflex-Fotografen ab. Und ja, wenn man über 135 mm hinausgeht, mag man diese Objektive nicht ständig an der Kamera haben. Die Fotografie mit Teleobjektiven erfordert eine gewisse Planung. Und gerade hier liegt ein enormes kreatives Potenzial, das es wert ist, einen Blick darauf zu werfen.

Unser heutiger Kandidat ist das Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm für Hasselblad-Kameras der V-Serie. Es ist definitiv ein ‚echtes Teleobjektiv‘, wie es im Carl Zeiss Prospekt angepriesen wird. Beim Mittelformat geht man im Vergleich zum Kleinbildformat ohnehin davon aus, dass die Ausrüstung viel größer und schwerer ist. Umso mehr überrascht, dass Hasselblad in seiner technischen Beschreibung deutlich den Charakter dieses Objektivs als ein opulentes Tele auch noch hervor hebt. Allerdings wird auch erwähnt, dass dieses Objektiv sich durchaus auch für Shootings aus der Hand eignet.

Auf persönlichem Wunsch von Victor Hasselblad

Die Zeiss-Konstrukteure haben auf der Vorderseite dieses Teleobjektivs eine kollektive Linsenkomponente und eine dispersive Rückgruppe kombiniert. Dazwischen befinden sich nur der Verschluss und die Blende.

Verglichen mit seiner Brennweite ist das Objektiv recht kurz, ähnlich wie mein Pentacon 5.6 / 500mm MC, das ein Linsenelement weniger hat als das Carl Zeiss. Obwohl es etwa 2 kg wiegt, lässt sich das Tessa erstaunlich gut handhaben. Die Legende besagt, dass dieses Objektiv auf direkten Wunsch von Victor Hasselblad entwickelt wurde. Der Unternehmer war ein begeisterter Vogelfotograf und wollte verständlicherweise beim Fotografieren in der Natur mit Kameras aus seiner eigenen Produktion arbeiten. In den Verkaufsprospekten wird jedenfalls darauf hingewiesen, dass es für den Freihandgebrauch geeignet ist. Und auch wenn es seltsam klingt, ich persönlich halte genau das für möglich.

Dieses Objektiv hat es bis zum Mond geschafft

Das Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm in der ‚Mond-Version‘. Angeblich wurde dieses Exemplar von Apollo 15 1971 vom Mond zurückgebracht und später versteigert.

Die optische Qualität ist wirklich sehr gut, selbst bei voller Öffnung. Insofern decken sich alle diese Aussagen mit meinen eigenen Erfahrungen. Die meisten Leute werden das Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm sicherlich immer noch für die Landschafts- und Tierfotografie verwenden. Hier lassen sich weite Perspektiven wunderbar optisch verdichten. Wer riesige Mondaufgänge oder Sonnenuntergänge über einer Skyline oder einer Wüstendüne aufnehmen will, braucht unbedingt ein solches Objektiv.

Bei Sport- und Pressefotografie spielen Objektive diesen Formats heute sicher keine Rolle mehr. Gleichwohl könnte ich mir vorstellen, dass jemand wie der Fotojournalist David Burnenett damit bei den Olympischen Spielen ähnlich für Aufsehen sorgen würde, wie damals mit seiner Graflex Speed Graphics Großformatkamera.

Zumindest ein berühmter Fotograf, der Apollo-15-Kommandant David Scott, benutzte dieses Objektiv, als er 1971 die Hadley Rille des Mondes erforschte. Dabei ging Scott nicht gerade zimperlich mit dem Hasselblad-Equipment um, wie man in diesem Video sieht.

David R. Scott mit dem Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm auf dem Mond

Eine völlig neue Sichtweise auf das Mittelformat

Charys fotografiert auf Kodak Ektachrome E 100 mit dem Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm

Als längste Brennweite des gesamten Hasselblad-V-Systems schreckt das Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm die meisten Fotografen eher ab. Dieses Objektive ist heute nicht mehr ganz so begehrt und im Gegensatz zu seiner Einführung auf dem Gebrauchtmarkt relativ günstig zu erwerben. Eine eingehende Prüfung ist jedoch geboten. Denn es war auch damals nicht das ‚immer einsatzbereite‘ Objektiv. Heute noch verfügbare Exemplare haben bisweilen viele Jahre ungenutzt im Objektivköcher verbracht. Fungus auf den Gläsern und eine verklebte Mechanik des Verschlusses sind vorprogrammiert. Ergattert man allerdings ein gutes Exemplar, wird man mit einer völlig neuen Sichtweise im Mittelformat belohnt.

Mit einem diagonalen Bildwinkel von 9° und 6,5° in der Horizontalen lässt sich ein Bild erzeugen, das den Fokus deutlich setzt: Das scharfe Hauptmotiv hebt sich klar vom unscharfen Hintergrund ab. Die Perspektive wird stark verdichtet. Dadurch erhalten die Bilder eine ganz besondere Atmosphäre. Dieser einzigartige Eindruck war besonders in der Werbefotografie gefragt. Gerade heute, in einer Zeit, in der 90% aller Mittelformatfotos mit dem 80 mm Planar oder dem 50 mm Distagon von Carl Zeiss aufgenommen werden, ist es möglich, Bilder zu schaffen, die sich wohltuend abheben und ganz eigene Akzente setzen.

Porträtmodell-Shooting mit 500 mm Brennweite

Juliette fotografiert auf Kodak Portra 800 mit dem Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm

Wie fotografiert man mit einem solchen Objektiv bei einem Porträtmodell-Shooting? Nun, ein Stativ ist obligatorisch. Und das sollte von guter Qualität sein. Ein solides Stativ von Berlebach zum Beispiel. Oder etwas sehr leichtes und einfach zu transportierendes wie die entsprechenden Stative von Novoflex. Besonderes Augenmerk gilt dem Stativkopf. Er sollte sich schnell verstellen und sicher fixieren lassen. Kompakte Stative eignen sind durchaus gut, wenn sie nicht ausgefahren sind und aus einer niedrigen Position fotografiert wird.

Natürlich erscheinen in dieser Brennweitenklasse die Abstände zum Motiv erst einmal ungewöhnlich groß. Der Mindestabstand beträgt bei unserem Probanden aus dem Hause Carl Zeiss 8,5 Meter. Bei einem Abstand von ca. 15 bis18 Metern kann eine normal große sitzende Person im 6X6-Mittelformat rahmenfüllend fotografiert werden.

Das Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm hat einen großen, abnehmbaren Kunststoff-Fokusring. Auf diesem Ring sind Markierungspunkte angebracht, mit denen ein Schärfebereich im Voraus definiert werden kann. Der Fokussierring überträgt ein hohes Drehmoment. Dazu muss die Fokussierung unbedingt leichtgängig und fein justierter sein. Ist dies nicht der Fall ist, sollte das Fett der Mechanik vom Service bei Carl Zeiss ausgetauscht werden. Bei einem gut gewarteten Objektiv läuft die Fokussierung sehr leicht und präzise.

Das Objektiv wird hauptsächlich bei voller Blendenöffnung f8 verwenden. Hier ist zu erwähnen, dass die T*-Version bereits bei dieser Einstellung eine tadellose Bildqualität liefert. Das Objektiv kann abgeblendet werden, um das Bokeh im Sucher zu prüfen. Apropos Sucher: Ich würde auf jeden Fall den Prismensucher an der Hasselblad empfehlen.

Üben mit einer kürzeren Brennweite

In der Kommunikation mit dem Modell müssen bei einem Shooting mit langer Brennweite die Anweisungen zwangsläufig etwas lauter erfolgen. Bei weniger erfahrenen Modellen empfiehlt es sich, mit einer kurzen Brennweite zu beginnen, bis sich Modell und Fotograf gut eingespielt haben. Ich verwende die langen Brennweiten stets am Ende eines Shootings als besonderes Finale, um die Perspektive Schritt für Schritt zu verdichten. Je nach Lichtsituation ist das Filmmagazin der Hasselblad dazu mit einem empfindlicheren Film geladen. Allerdings kann man sich dabei sehr leicht verschätzen. An sonnigen Tagen oder bei stark reflektierender heller Umgebung kann bei einem Kodak Portra 800 der Belichtungsmesser schnell f64 bei 1/500 s anzeigen. Ein weiteres Magazin mit einem niedriger empfindlichen Film geladen, ist hilfreich.

Bei einem Modell-Shooting mit kürzeren Brennweiten zu beginnen, um sich dann langsam mit längeren Brennweiten voran zu tasten, schont schließlich auch das Film-Budget.

Die feinen Unterschiede der 500 mm Brennweiten von Hasselblad

Für die V-Serie der Hasselblad gab es auch ein preiswerteres Carl Zeiss Sonnar T* 5,6/250 mm. Man könnte annehmen, ein 2-fach Telekonverter wäre ausreichend, um damit in den 500 mm-Bereich vorzustoßen. Allerdings würde sich beim Fotografieren mit Offenblende eine bescheidene Anfangsöffnung des Sonnar T* 5,6/250 mm von f/11 ergeben. Da wird es bei bescheidenen Lichtverhältnissen kritisch. Auch wenn f8 als Anfangsöffnung beim Tele-Tessar T* 8/500 mm für viele Fotografen schon eine Einschränkung bedeuten mag, ist es immer noch besser als f11.

Mein Beweggrund, das Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm anzuschaffen, ergab sich aus meiner Erfahrung bei einem etwas aufwändigeren Shooting. Damals stand ich auf einem Felsen, von der Bergrettung mit einem Seil gesichert, an einem 300 Meter tiefen Abgrund. In dieser durchaus fotografisch höchst herausfordernden Situation ärgerte ich mich, nicht wenigstens eine Blende mehr an Reserve zur Verfügung zu haben.

Die Bildergebnisse meines Tele-Tessar T* 8/500 mm haben mich absolut überzeugt, es war eine sinnvolle Anschaffung. Ich kann dieses Objektiv in Anbetracht des günstigen Gebrauchtpreises absolut empfehlen. Es macht einfach Spaß und erweitert die fotografischen Möglichkeiten.

Zum Schluss noch zwei Dinge: Ein früheres 500 mm Objektiv von Carl Zeiss ohne die Zusatzbezeichnung T* und damit ohne hohe optische Vergütung ist mit der späteren, hochvergüteten T*-Version optisch und mechanisch identisch. Es liefert aber unter Umständen, je nach vorhandenen Lichtverhältnissen nicht die guten Kontraste des späteren Tessars.

Schließlich wurde das Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm später noch einmal getoppt, durch eine völlig neue optische Konstruktion: das Carl Zeiss Tele-Apotessar T* 8/500 CF. Dieses Objektiv ist auf dem Gebrauchtmarkt heute um ein Vielfaches teurer als das Tele-Tessar T* 8/500 mm und natürlich dafür optisch noch einmal eine deutliche Qualitätssteigerung. Ob es letztlich durch die gleichen Faktoren, die den Preis rechtfertigen, besser ist, muss jeder für sich selbst beantworten.

Juliette fotografiert auf Kodak Tri-X 400 mit dem Carl Zeiss Tele-Tessar T* 8/500 mm

Technische Daten

Objektiv: Carl Zeiss Tele Tessar T* 8/500 mm

Bajonett: Hasselblad

Fokussierung: Manualfokus

Brennweite: 500 mm

Naheinstellgrenze: 8,5 m

Filtergewinde: 82 mm

Gewicht: ca 2150 g

Hinweis

Dieser kostenlose Beitrag stammt von der SilvergrainClassics Redaktion und wurde aus dem Englischen übersetzt.

Mehr Informationen zu Hasselblad auf dem Mond

PhotoKlassik International, Ausgabe 3
Hasselblad, Zeiss, Kodak, and NASA: Moon Landing 50th Anniversary

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