Ein Programm für Film- und Flachbett-Scanner
mit fast einer Millionen Benutzern
Ein Interview mit Edward Hamrick
Hermann Groeneveld / SilvergrainClassics
Foto: Hermann Groeneveld (Rolleicord vb; Kodak Porta 160; Plustek OpticFilm 120 / VueScan 9.x)
Über ViewScan
VueScan – Eröffnungs-Dialog mit den wichtigsten Grundeinstellungen (hier in Zusammenarbeit mit dem Nikon CoolScan LS-5000 ED)
Interview
HG
Ed, erzähle uns, wie Dein Weg zur Gründung eines eigenen Software-Unternehmens im Fotobereich verlief.
Ed
Da muss ich ein wenig ausholen: Ich komme aus dem Ingenieurwesen und der angewandten Wissenschaft. Meine Karriere als Programmierer begann bei der NASA/JPL, wo ich drei Jahre lang blieb. Danach folgten zehn Jahre bei Boeing als Programmierer und Manager. Mein letzter Job für ein Unternehmen waren fünf Jahre lang bei Convex Computer Corporation als Systems Engineer und Systems Engineering Manager.
HG
Was hat Dich angetrieben, eine eigene Software für alle nur erdenklichen Filmscanner der Welt zu entwickeln?
Ed
Ich habe mich schon immer für Fotografie interessiert. Im Jahr 1997 kaufte ich meinen ersten Filmscanner, einen HP PhotoSmart. Die mitgelieferte Software und die Qualität der Scans überzeugten mich allerdings nicht wirklich. So beschloss ich, selber eine Software zu programmieren, welche meinen persönlichen Wünschen entsprach und die Leistungsreserven des Scanners vollkommen ausreizte. Das Ergebnis war ein Programm namens VueSmart.
Bald aber genügte auch die Hardware nicht mehr meinen Anforderungen an perfekte Scans. Es folgte ein Upgrade auf den Nikon LS 30 Coolscan; VueSmart wurde natürlich auf diesen Filmscanner für Kleinbild angepasst. Bald modifizierte ich das Programm so, dass es mehrere Scanner unterstützen konnte. VueScan war geboren.
HG
Und eine Geschäftsidee?
Ed
Ja, klar. Schnell wurde VueScan zu einer Plattform mit stetig verbesserten Funktionen und immer mehr Anpassungen an die gängigsten Film- und Flachbettscanner auf dem Markt. Nach 23 Jahren ist die Anzahl der unterstützten Scanner auf 7400 Geräte angewachsen und sie wächst weiter. Wir stehen kurz davor, die eine Millionen an Benutzern zu erreichen.
HG
Für welche Betriebssysteme ist VueScan verfügbar?
Ed
VueScan unterstützt die Betriebssysteme Windows, macOS und Linux und das in 28 verschiedenen Sprachen. Unsere Software ist weltweit im Einsatz.
HG
Hat man VueScan auf seinem Rechner installiert, wundere ich mich manchmal über die auffallend kurzen Update-Zyklen der Software. Manchmal erhalte ich wöchentlich Updates.
Ed
Das ist steten Produkt-Verbesserungen geschuldet. Größtenteils handelt es sich dabei um Vorschläge von Anwendern, die wir oft sehr kurzfristig umsetzen. Schließlich werden neu auf dem Markt angebotene Scanner und Hardwareänderungen bei bestehenden Produkt-Portfolios der Hersteller rasch bei uns angepasst. Aus diesem Grund veröffentlichen wir relativ häufig neue Versionen von VueScan.
David und Edward Hamrick (v.li.)
HG
Wieviel Leute arbeiten an VueScan?
Ed
Das Entwicklungs- und Technikteam besteht aus nur zwei Personen: Ich hatte das große Glück, dass mein Sohn David Hamrick vor über zwölf Jahren als Partner zu mir kam. David hat einen Hintergrund in Computer Engineering und Engineering Management. Bevor wir ein VueScan-Team wurden, arbeitete David als Apple-iOS-Entwickler.
David ist für die steten Verbesserungen der Benutzeroberfläche und Auswertung der Benutzererfahrungen verantwortlich. Er hat sich intensiv mit KI und maschinellem Lernen befasst, um VueScan mit neuen Funktionen auszustatten. Er verwaltet auch unsere Website.
Wir arbeiten beide gerne miteinander und haben ein totales Verständnis füreinander.
HG
Welche Arbeitsumgebung nutzt Ihr? Welche Prozessoren unterstützt VueScan?
Ed
Wir entwickeln, erstellen und testen VueScan jeweils an Apple M2 MacBooks Air. Virtuelle Maschinen auf unseren Rechnern sind mit Windows 11 und mit Linux Ubuntu 20.04 ausgestattet, um die fehlerfreie Integration für diese Betriebssysteme sicher zu stellen. VueScan ist somit für 64-Bit-Intel- und 64-Bit-ARM-Prozessoren auf allen drei Betriebssystemen stets zeitgleich verfügbar. Noch bis 2024 wurden zudem 32-Bit-Intel- und 32-Bit-ARM-Plattformen von uns unterstützt. Das haben wir jedoch mittlerweile aufgegeben, da diese Plattformen kaum noch nachgefragt werden.
HG
Wie schafft Ihr es, so viele Scanner mit nur einem einzigen Programm zu unterstützen?
Ed
Ein Großteil meiner Entwicklungsarbeit besteht darin, Unterstützung für neue Scanner hinzuzufügen und Probleme zu beheben. Bei neuen Technologien greift David ein. Die Kompatibilität für die meisten neuen Scanner in der Software hin zu bekommen, ist verhältnismäßig einfach und rasch realisierbar. Allerdings nur solange die Scanner identische und verbreitete Befehlssätze für ihre Funktionen verwenden, mit denen bereits andere Scanner arbeiten.
Schwieriger wird es, wenn neue Befehlssätze hinzu kommen, die VueScan noch nicht kennt. Dann wird es zeitaufwendiger für uns. Aber wir realisieren letztlich jede erforderlich Anpassung. Das ist unser Anspruch.
Die meiste Entwicklungszeit nimmt das Beheben von Problemen in Anspruch. Oft betrifft das Scanner, die mir gerade nicht zur Verfügung stehen. Dann kann ich nur unterstützen, wenn Kunden bereit sind, Testversionen von VueScan mit ihren Scannern auszuführen und mir die resultierende Log-Datei (vuescan.log ) per E-Mail zusenden.
In anderen Fällen (wenn auch selten) muss ich einfach einen gebrauchten Scanner bei eBay kaufen, da ich manchmal sehen (und hören) muss, wie ein Scanner auf verschiedene Befehle reagiert.
HG
Werdet Ihr von den Scanner-Herstellern mit Hardware unterstützt? Erhaltet Ihr zum Beispiel bei einer Neuentwicklung ein Gerät, um Anpassungen testen zu können?
Ed
Leider bieten die meisten Scannerhersteller keinen Support an. Manchmal bekommen wir einen Scanner geliehen. Normalerweise müssen wir ihn kaufen. In der Vergangenheit hatten wir technischen Support von Pacific Image Electronics (PIE) erhalten. Vor 20 Jahren hatten wir einige technische Dokumente von Epson bekommen. Glücklicherweise verwenden die meisten Hersteller für jede Generation ihrer neuen Scanner identische Befehlssätze.
HG
Sprechen Euch Scanner-Hersteller gezielt an, weil sie eine Anpassung von VueScan an ihren Scanner wünschen? Oder realisiert Ihr Anpassungen auf eigenes Risiko bzw. auf Wunsch der Anwender?
Ed
Scannerhersteller haben uns in den letzten 20 Jahren in der Tat ein paar Mal kontaktiert und um Unterstützung für ihre neuen Scanner geworben. Normalerweise werden wir eher von Benutzern kontaktiert. Sie fragen uns, ob wir ein neues Scannermodell unterstützen oder ob wir ältere Scanner unterstützen können, die wir übersehen haben.
Nachdem wir Unterstützung für mehr als 7000 Scannermodelle hinzugefügt haben, besteht die meiste Arbeit an unserer Softwarte darin, kleinere Probleme zu lösen. So hatten wir beispielsweise einmal übersehen, dass ein Scanner beide Seiten des Papiers gleichzeitig scannen kann (Duplex-Scannen). Das haben wir dann in VueScan nachgelagert realisiert.
HG
Wie stellt Ihr sicher, dass ein Problem eines Kunden für diesen zufriedenstellend gelöst wurde? Wie testet Ihr entsprechende Software-Updates?
Ed
Ein Grund, warum VueScan relativ problemlos so viele Scanner unterstützt ist, dass unsere Kunden unglaublich hilfreich sind, wenn es darum geht, Testversionen für mich auszuführen. Ich verschicke manchmal jeden Tag ein paar Testversionen von VueScan, um Korrekturen für Probleme zu testen, die von Kunden gemeldet werden. Es dauert nur fünf Minuten, um eine Testversion zu erstellen, also mache ich das oft. Wenn ein Betroffener Kunde die Testversion sofort ausprobiert, kann ich manchmal 10 oder 15 Testversionen an einem Tag schicken, bis das Problem gelöst ist.
Heute ist eine gute Gelegenheit, meine Anerkennung dafür auszusprechen: Herzlichen Dank an unsere treue Community.
HG
Das klingt nach einer sehr effizienten, disziplinierten Arbeitsweise.
Ed
Ich kann VueScan quasi aus meiner Aktentasche freigeben. Ein paar Mal ist es schon vorgekommen, dass ich VueScan aus einer Flughafen-Lounge neu veröffentlicht hatte – so einfach ist das.
Weiterhin hilft, dass ich alles aus einer Quellcodebasis baue. Wir verwenden wxWidgets für die Benutzeroberfläche von VueScan. Das ist ein quelloffenes, plattformunabhängiges Toolkit zur Entwicklung grafischer Benutzeroberflächen. Mit keiner oder nur sehr geringer Modifikation lässt sich der Quellcode auf verschiedenen Computer-Plattformen kompilieren und auszuführen.
HG
Wie priorisiert Ihr Eure Arbeit?
Ed
Einfache Anforderungen werden zuerst erledigt. Zum Beispiel, neue Scanner, die den vorhandenen unterstützten Scannern sehr ähnlich sind, stehen ganz oben auf der Liste. Probleme oder Verbesserungen, die viele Kunden wünschen, stehen als nächstes auf der Liste. Melden mehrere Personen ein Problem oder fragen nach einem neuen Feature, rückt das auf der Prioritätenliste ganz nach oben.
Ich habe Freude am Entwicklungsprozess und es macht mir Spaß, Probleme mit VueScan zu lösen.
HG
Auf Eurer Website bietet Ihr zwei verschiedene Lizenzmodelle für VueScan an: Eine Version zur einmaligen Zahlung. Neu scheint dagegen das VueScan-Abonnement (VueScan Subscription) mit monatlicher Zahlung zu sein. Welches sind die Vorteile des Abonnements? Sind Besitzer einer Lizenz durch Einmalzahlung künftig von kostenlosen Updates ausgeschlossen?
Ed
Vor etwa vier Jahren sind wir zu einem Lizenzmodell übergegangen, bei dem wir ein Jahr lang nach dem Kauf kostenlose Upgrades anbieten. Die Leute können diese kostenlosen Upgrades so lange nutzen, wie sie möchten. Wir dachten, es wäre fair, uns für die zusätzliche Arbeit zu entschädigen, die wir mit der Unterstützung neuer Scanner und neuer Versionen von Windows macOS und Linux verbringen.
Ein Abonnement ist für diejenigen nützlich, die VueScan nur für eine begrenzte Zeit für ein Projekt benötigen. Außerdem können die Leute für einen kürzeren Zeitraum ausprobieren, um zu sehen, ob sie die Software langfristig nutzen möchten.
HG
Welche zukünftigen Ziele verfolgt Ihr bei der Weiterentwicklung für VueScan?
Ed
Wir haben die KI-Funktionen von VueScan in den letzten Jahren signifikant erweitert. Wir können neue Leistungsmerkmal anbieten, die unsere Kunden wünschen. Etwas was wir besonders lieben, ist unsere neue Kolorierungs-Funktion. VueScan ist in der Lage, gescannte Schwarzweißbilder automatisch zu kolorieren. Damit haben wir ein absolutes Alleinstellungsmerkmal unter Scan-Programmen am Markt weltweit erreicht: Keine andere Scanner-Software bietet diese Funktion derzeit.
David hat sich tief in KI eingearbeitet und sich mit neuronalen Netzen beschäftigt. Er hat VueScan im Jahr 2024 wirklich weit nach vorne gebracht. Für 2025 hält er noch mehr Überraschungen bereit, über die wir im Moment noch nicht sprechen können.
HG
Die KI-gesteuerten Einfärbung von Schwarz-Weiß-Negativen scheint eine wirklich interessante Funktion zu sein, wie man an den Beispielen auf eurer Website sehen kann. Ist das in Deinen Augen eine wirklich anspruchsvolle Funktion, die professionelle Fotografen nutzen würden? Oder ist es in deinen Augen eher ein Gimmick, das man gelegentlich ausprobieren könnte?
Ed
Ich weiß es nicht genau. Auf jeden Fall ist es für einen professionellen Fotografen, der heutzutage nur noch eine Digitalkamera benutzt und selbst entscheidet, ob er in Farbe oder Schwarzweiß fotografiert, nicht nützlich. Es ist vor allem für Leute gedacht, die alte Bilder wieder zum neuem Leben erwecken wollen. Zum Beispiel, wenn die ursprünglichen Farben im Laufe der Zeit verloren gegangen sind. Außerdem haben viele Menschen viele Schwarz-Weiß-Fotos, die von einer Kolorierung profitieren könnten. Die Leute freuen sich, wenn ihre alten Fotos koloriert werden.
HG
Sind neben der Kolorierungs-Funktion noch weitere Funktionen zur Bildbearbeitung für VueScan geplant?
Ed
Ja, wir planen eine Reihe neuer Verbesserungen, die „Neuronale Netzwerke“ verwenden. Wir wollen Dinge implementieren, die zuvor nur schwer in VueScan integriert werden konnten. So haben wir beispielsweise kürzlich eine Funktion hinzugefügt, die Bilder automatisch aufrecht dreht, was beim Stapelscannen von Dias oder Fotos nützlich ist. Mein Sohn David und ich entwickeln häufig Ideen für neue Funktionen, die nur mit „Neuronalen Netzwerken“ möglich sind.
HG
Ist absehbar, ob KI die Staub- und Kratzerentfernung beim Scannen von Filmen noch besser unterstützen könnte? Das wäre insbesondere für Schwarz-Weiß-Filme von Interesse. Denn wie wir wissen, funktioniert die Staub- und Kratzerentfernung auf Infrarot-Basis nicht bei Schwarz-Weiß-Negativen. Es sei denn, man verwendet einen Schwarzweißfilm, der eine chromogene Entwicklung (C-41-Prozess) zulässt, wie zum Beispiel der XP2 von Ilford.
Ed
David hat sich mit der Entfernung von Staub und Kratzern befasst. Und zwar insbesondere für die Anwendungsfälle, wenn der Scanner nicht über eine Infrarotlampe verfügt oder wenn Schwarzweißfilm gescannt wird, bei dem die Infrarot-Reinigung nicht funktioniert.
Die erste Herausforderung beim Einsatz von KI bestand für ihn darin, eine große Anzahl von Beispielbildern mit Staub und Kratzern zu scannen, auf denen Staub und Kratzer gekennzeichnet werden können. Das ist größtenteils geschafft. Derzeit befasst sich David damit, ein neuronales Netzwerk mit den gesammelten Erkenntnissen zu trainieren, das dann diese Aufgabe übernehmen kann.
HG
Ed, vielen Dank für Deine interessanten Einblicke in VueScan. SilvergrainClassics wünscht Dir und David weiterhin viel Erfolg mit Eurer Arbeit.
Epilog
Neben VueScan arbeitet Ed Hamrick auch an der Entwicklung von Technologien und Patenten für Biotechnologie. „Unsere Mission ist es, eine kostengünstige und großtechnische Produktion von Hefen mit ausgewogenem Protein und Omega-3-Fettsäuren für den Verzehr von Menschen, Tieren und Fischen zu ermöglichen (www.cellofuel.com). Interessanterweise basiert die Haupterfindung (der Waldhof-Fermenter) auf Technologien, die 1941 in der Zellstofffabrik Waldhof bei Mannheim erfunden wurden.“

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