Warum Analog? – Teil 1

Die einen finden das Thema faszinierend, für die anderen ist man ein Alien mit antiquarischen Equipment. Als ambitionierter Analog-Fotograf wird man immer wieder gefragt, wieso man denn eigentlich (noch) analog fotografiert. Eine gute Frage, die nicht unbedingt leicht und absolut nicht auf die schnelle zu beantworten ist.

Es gibt ein weites Spektrum an Gründen, die diese klassische Arbeitsweise durchaus befürworten. Viele davon sind stark individuell und können grundsätzlich nicht verallgemeinert werden. Auf diese werde ich daher erst später eingehen. Zuerst möchte ich das Thema der analogen Fotografie mal so objektiv wie möglich betrachten.

Auch als allgemeiner Befürworter dieser Technik, fallen mir sofort einige negative Aspekte auf. An erster Stelle stehen da die Kosten für Verbrauchsmaterial oder zusätzliche Geräte. Ein einzelner Roll- oder Kleinbildfilm kostet durchschnittlich 4 bis 6 Euro. Wer seine Filme nicht selbst entwickelt, muss zusätzlich die Verarbeitung durch Dritte begleichen. Die Chemie für eine selbstständige Entwicklung fällt pro Film allerdings sehr, sehr gering aus. Um die eigenen Filmstreifen zu digitalisieren und diese damit der Community verfügbar zu machen, benötigt man noch zusätzlich einen Scanner. Der Aufwand, der bei der analogen Fotografie betrieben werden muss, um sein Ergebnis zu sehen, ist selbstverständlich um einiges höher, als bei der digitalen Fotografie. Ein weiterer Nachteil ist auch die allgemeine Komplexibilität des Themas. Man benötigt schon einiges an Fachwissen und Erfahrung, um wirklich hochwertige Ergebnisse zu erzielen.

Der Preis von analogen Kameras und Objektiven ist allerdings im Vergleich zur digitalen Fotografie viel günstiger. Hier kann man auch für verhältnismäßig wenig Geld eine sehr hochwertige Kamera erwerben. Schon für 100-200 Euro bekommt man eine wirklich professionelle Kleinbildkamera mit einer hochwertigen und lichtstarken Normalbrennweite. Selbst wer sich für eine Leica, Rollei oder Hasselblad entscheidet, bezahlt weniger als für eine aktuelle Profi-DSLR und hat vermutlich noch viel länger etwas von dieser Investition.

Diese Nikon F2 habe ich mal für unter 200 Euro aus der Bucht gefischt.
Diese Nikon F2 plus Nikkor 50mm f1.4 habe ich mal für unter 200 Euro aus der Bucht gefischt. Für den 35mm Bereich mein absoluter Favorit!

Des Weiteren bietet die analoge Fotografie eine größere Auswahl an Formaten. Während bei den praktisch einsetzbaren Sensoren der Kleibildbereich (2,4×3,6 cm) das höchste der Gefühle ist, bietet die analoge Fotografie noch das Mittelformat (üblich 4,5×6 bis 6×9 cm) und das Großformat (9×12 cm bis sogar 11×14 Inch, welches ca. 27×35 cm entspricht). Im Kleinbildbereich hat die digitale Fotografie, was die Auflösung angeht, zwar die Nase vorn, kann aber das Mittelformat noch nicht schlagen. Abgesehen davon ist jedoch auch schon die Auflösung eines Kleinbildfilms mehr als ausreichend. Ein größeres Format ist auch für die Gestaltung nicht zu vernachlässigen. Je größer das Medium für die Aufnahme ist, umso geringer fällt die Schärfentiefe aus. Voraussetzung ist dafür natürlich eine für das Format angepasste Brennweite. Wenn man eine selektive Schärfe und ein weiches Bokeh bevorzugt, wird man besonders vom Großformat begeistert sein. Auch das Fotografieren an sich, lässt sich mit Film als Medium besser erlernen. Durch die limitierte Anzahl der verfügbaren Aufnahmen und dem entschleunigten Arbeitsablauf, taucht man Tiefer in die Welt seines Motivs ein und hat die Möglichkeit viel bewusster zu gestalten. Der größte Vorteil der analogen Fotografie ist wohl die Möglichkeit eigene hochwertige Abzüge zu erzeugen. Die Materialkosten sind zwar recht hoch (gutes Fotopapier kann ausgesprochen teuer sein) und man muss sich ein eigenes Fotolabor anschaffen. Jedoch bieten selbst die besten noch ansatzweise bezahlbaren Drucker, nicht annähernd den Detailgrad und Umfang eines klassischen Abzugs. Auch der fotografische Film an sich, bietet einen Dynamikumfang, von dem die meisten Digitalfotografen nur träumen können. Allerdings dürfte dieser Vorteil nicht mehr allzu lange bestehen bleiben. Einige digitale Modelle können da schon mehr leisten.

sdspiraleOb digital oder analog. Der Kerngedanke der Fotografie bleibt natürlich immer derselbe. Auch wenn die digitale Fotografie heute die meisten Vorteile birgt, ist sie meiner Meinung nach nicht ansatzweise mit dem Gefühl der klassischen Arbeitsweise zu vergleichen. Natürlich fotografiere ich manchmal auch digital. Heute kann und sollte man den Vorteil genießen, auf dieses schnelle, einfache und gleichzeitig hochwertige Medium zurückgreifen zu können. Für die meisten professionellen Bereiche ist das auch der einzige vernünftige Weg. Aber wenn ich ein geplantes Konzept verfolge oder wirklich etwas ausdrücken will, greife ich zum Film. Durch die handwerkliche Ausführung mit authentischen Materialien, lässt sich eine viel engere Verbindung mit der Fotografie und den eigenen Werken aufbauen. Man schafft mit Händen etwas ganz besonderes, was nicht einfach mit einem einzigen Tastendruck gelöscht werden kann. Diese Aufnahmen sind echt und keine Projektion einer Datei, die im Kern nur aus Nullen und Einsen besteht.

Ich vergleiche das gerne mit dem Hören einer Schallplatte. Wenn ich mich aktiv mit Musik beschäftigen und diese aufmerksam genießen möchte, dann ist eine digitale Datei für mich das falsche Medium. Ich klicke dann nicht einfach auf ein Icon. Ich muss zuerst die Platte aus dem Album heraus ziehen, diese von ihrer Schutzhülle befreien, vorsichtig auf den Plattenteller legen, den Verstärker, sowie den Plattenspieler einschalten, den Motor betätigen und mit bedacht die Nadel zum Vinyl führen. Das alles zusammen ist ein Ritual. Ein sehr harmonischer Prozess, der wie eine Art Meditation wirkt. Nicht anders ist es bei der analogen Fotografie in noch komplexerer Form. Die Zeremonie während der Aufnahme, welche bei der digitalen Fotografie relativ gleich ausfällt, wird durch den ganzen Prozess der Negativentwicklung und eventuell noch durch das Erstellen von Abzügen stark erweitert. Gutes braucht Zeit. Das unfassbar befriedigende Gefühl, die Filmstreifen zum trocknen aufzuhängen oder gar einen fertigen Abzug in der Hand zu halten ist schier überwältigend. Mit ein bisschen Erfahrung kann man sich die fertigen Aufnahmen zwar schon sehr gut vorstellen, trotzdem ist das Betrachten der frisch entwickelten Negative immer wieder eine Überraschung. Besonders wenn zwischen Belichtung und Entwicklung ein größerer Zeitraum besteht, wird dieser Effekt deutlich stärker. Genau wie damals, als man belichtete Filme aus dem Urlaub mitbrachte und sehnsüchtig auf die Abzüge wartete. An einige Aufnahmen konnte man sich gar nicht mehr erinnern und es war jedes Mal wie eine kleine Zeitreise. Geschehenes erlebte man erneut, aber auf eine ganz neue Art und Weise. In Anbetracht der aktuellen digitalen Flut, selbsternannten Spezialisten, Pixelzählern und „Fotografen“ die eigentlich mehr Digital Art als Fotografie betreiben, ist der fotografische Film für mich der beste Weg, wieder zu den Ursprüngen zurückzufinden. Um zu erkennen und zu zeigen, was ein Foto wirklich ausmacht. Eine ehrliche Aufnahme, unbestechlich in ihrer Authentizität, ist für mich schon mal ein guter Anfang. Der wichtigste Punkt bleibt aber weiterhin: Es macht einfach unheimlich viel Spaß…

Meine persönliche Meinung ist zweifellos nicht ausreichend, um einer ausführlichen Antwort auf die Frage, warum wir analog fotografieren, gerecht zu werden. Wie ich bereits erwähnte, sind die wichtigsten Gründe stark subjektiver Natur. In Folge dessen habe ich auch die anderen Autoren von Analog4You gefragt, was sie persönlich antreibt. Im zweiten Teil dieses Artikels geht es daher um die Vielfalt der individuellen Motive. Zudem werdet auch Ihr die Möglichkeit haben, eure Beweggründe in den Kommentaren zu posten. Es bleibt also interessant!

Ich beschäftige mich viel mit der Fotografie im Allgemeinen, was sich auch in meinen Arbeiten zeigt. Momentan setze ich mich fast ausschließlich mit dem künstlerischen Potenzial dieses Mediums auseinander. Seit 2015 bin ich gelernter Fotograf. Aktuell studiere ich die Fotografie an der Fachhochschule Dortmund. Für die Fotografie ist die Wahl der Ausrüstung ebenso wichtig, wie die Verarbeitung des Materials und Farbe des Kameragurts.