Analoge Fotografie im aktuellen Kontext oder: Warum Analog? – Teil 398

Altes Thema, neue Abhandlung meinerseits.
Ich habe mich schon vor fast drei Jahren innerhalb eines Artikels mit diesem Thema beschäftigt. Sowohl technische als auch leicht philosophische Ebenen habe ich damals behandelt und einige andere Autoren nach ihren Beweggründen gefragt. Heute sehe ich viele Dinge anders, und da ich auch aktuell immer wieder gefragt werde, fühle ich mich berufen, noch ein letztes Mal darüber zu schreiben. Ok, das war jetzt naiv. Ich werde jedoch versuchen nicht die klassische Leier abzuspulen – versprochen!

Über die technischen Hintergründe möchte ich eigentlich eher weniger sprechen. Wenn man nicht gerade im Großformat-Bereich unterwegs ist, kann man mit der digitalen Fotografie einfach höhere Auflösungen erreichen und auch feinere Aufnahmen erzielen. Darüber braucht man nicht zu sprechen. Es ist auch viel praktischer, einfach eben ein paar Aufnahmen zu machen, diese auf den PC zu ziehen und dann fix zu finalisieren.  Das alles möchte ich hier vernachlässigen.

 

Kein Vergleich.

 

Fotografie ist immer gleich. Egal ob ich auf einen Sensor, auf Film oder irgendein anderes Medium belichte. Der Umgang mit dieser Technik zählt, um damit herausragende Aufnahmen zu machen. Nie war ein Foto gut, weil es digital beziehungsweise analog aufgenommen wurde, oder weil es besonders scharf und hochauflösend war. Fotos wirken in ihrer Art der Darstellung. Die Komposition und die Präsentation macht den Unterschied aus. Immer spielt daneben der Inhalt(!), anschaulich gegeben oder assoziativ, eine entscheidende Rolle. Viele vergessen auch den Kontext miteinzubeziehen – also mal seriell zu denken oder das Bild in Wechselwirkung des Umfeldes, in dem es präsentiert wird, zu betrachten.

Was genau bewegt einen Fotografen dazu auf Film zu fotografieren? Besonders dann, wenn es nicht einfach nur ein Hobby oder eine Spielerei ist.

Ich studiere Fotografie und muss, je nach Konzept, relativ viel Bildmaterial produzieren.  Dieses Jahr habe ich sogar eine Zeit lang jeden Tag fotografiert. Warum mach ich mir also diese Umstände und fotografiere auf Film? Das kostet Geld, ich muss die Filme erst entwickeln und einscannen, um diese dann am PC zu sichten und kostengünstig kleine Drucke oder Abzüge davon zu bestellen, die man mit Kommilitonen und den Professoren im Seminar sortieren kann. Gewiss mache ich auch Abzüge in der Duka, allerdings wäre das in der Menge, die oft für das Editieren benötigt wird, einfach viel zu zeitaufwendig.

 

Lästig, aber aktuelle Normalität.

 

Der Sinn der analogen Fotografie (für mich) kurz beschrieben:

Das Problem ist, denke ich, dass man, wie im ersten Abschnitt erwähnt, schnell in diese alte Leier gerät. Etwas abspult, was jeder zur analogen Fotografie sagt. Wenn ich mich kurzfassen, soll sage ich immer, dass ich mit dieser Art zu fotografieren einfach mehr anfangen kann. Vieles an der analogen Fotografie ist eben einfach nur eine Frage der persönlichen Einstellung bzw. des eigenen Geschmacks. Es gibt wenig tatsächliche Vorteile oder Gegebenheiten, die gegenüber der digitalen Fotografie wirklich „besser“ sind, dies sind alles Eigenschaften der subjektiven Wahrnehmung.

Die Arbeit mit Film ermöglicht es mir, die Fotografie auf einer so intensiven Art und Weise zu erleben, wozu die digitale Form einfach nicht imstande ist. Die analoge Fotografie ermöglicht das handwerkliche Arbeiten mit Materialien und das Benutzen von rein mechanischen Kameras ohne Elektronik oder Automatik, welche den Fotografen, aufs wesentliche beschränkt, die totale Fokussierung auf sein Sujet ermöglicht. Analoge Fotos zeigen organisches Filmkorn, welches meiner Meinung nach eines der ästhetischsten Elemente in der Fotografie darstellt. 

Auch das klingt fast wieder zum Würgen klischeehaft. An dieser Stelle habe ich mein Versprechen gebrochen. Tut mir leid – ich habe es versucht.

 

 

Das beste an der analogen Fotografie ist für mich der destruktive Prozess. Es fängt mit der Filmauswahl an und hört mit der Art der Entwicklung auf. Danach lässt sich nichts mehr an meiner Vorlage rütteln. Zumindest nicht mehr sehr viel. Der Look, sofern klassisch weitergemacht wird, ist festgelegt. Ich muss mir keine Gedanken mehr zur Ausarbeitung machen und habe den Kopf für weitere Bilder und für das gesamte Projekt frei. Ich halte mich nicht weiter daran auf. Die Aufnahmen werden gescannt oder vergrößert, dabei etwas Helligkeit, Kontrast (und ggf. Farbe) angepasst – das war es dann schon. Da ich nichts an meinen Fotos retuschieren möchte, ist das vollkommen ausreichend. Das geht natürlich auch digital. Ich kann meine Kamera einfach nur auf JPG stellen und eine Voreinstellung nutzen. Diesbezüglich gibt es mittlerweile sehr gute Optionen. Dabei kommen nur folgende Probleme auf: Man kann, muss aber nicht, und es ist eben digital.  

 

Polaroid, 2018

 

Als Beispiel sei hier auch speziell das Fotografieren auf Diafilm erwähnt oder das analoge Sofortbildverfahren. Ich mache meine Aufnahmen und diese sind sofort das finale fotografische Produkt. Herrlich befreiend, oder? In erster Linie muss ich dafür die nötigen Fähigkeiten besitzen, und des Weiteren ist diese Arbeitsweise im Allgemeinen wieder etwas Besonderes. Es ist auch ein Unterschied, ob ich jemandem ein Bild auf dem Handy schicke, oder ob ich ihm ein Polaroid schenke, welches ein absolutes Unikat und damit eben nicht zu reproduzieren ist. Es geht hierbei nicht um Materialismus. Es geht um die Geste, um die Bedeutung dahinter.

Darüber hinaus ist es auch schön, eine Fotografie betreiben zu können, die von Aufnahme bis zum fertigen Abzug keinen Computer benötigt. Da fühle ich mich einfach frei und bin zufrieden mit dem Gedanken, dass ich das alles selbst zuhause machen kann. Allein die Abzüge aus der eigenen Dunkelkammer haben eine hervorragende Qualität und sind vergleichsweise gar nicht mal so teuer. Einen Drucker, der diese Qualität liefert, kann ich mir beim besten Willen nicht leisten.

Neulich gab ich einem Freund, der nicht unbedingt häufig fotografiert, eine meiner analogen Kleinbildkameras für einen Trip über ein verlängertes Wochenende mit. Es war das erste Mal, dass er bewusst analog fotografierte. Nach dem Trip fragte ich ihn, wie es denn gewesen sei ohne unmittelbare Kontrolle zu fotografieren. Seine Antwort darauf war, dass es tatsächlich sehr entspannt gewesen sei. Die Tatsache, dass das Ergebnis nicht unbedingt absehbar war, hat ihn schneller mit einem Motiv abschließen lassen, sodass er die Umgebung und damit den Urlaub nachhaltiger wahrnehmen konnte. Ebenfalls könne man sich auf die Aufnahmen im Nachhinein freuen. Ich persönlich war auch sehr verblüfft über die Qualität der Aufnahmen, die er mitbrachte, und die Tatsache, dass er von jedem Motiv auch nur eine einzige Aufnahme gemacht hat. An diesen Punkten muss also etwas dran sein, wenn viele, die damit anfangen analog zu fotografieren, von diesen Punkten berichten. Das ist also doch nicht einfach nur ein Klischee.

 

Nicht mal ein Belichtungsmesser. Nur Blende, Zeit und Fokus einstellbar.

 

Die analoge Fotografie ist für mich einfach immer irgendwie – wie soll ich sagen – Fotografie ohne Netz und doppelten Boden. Das klingt hart und urteilend, gegenüber der digitalen Variante, aber so ist das gar nicht gemeint. Die digitale Fotografie ist sicherlich allgemein die bessere Variante, besonders in kommerzieller Hinsicht. Eine Nachbearbeitung für das „feine“ Bild ist in der heutigen Zeit sowieso unabdingbar. Ich habe zudem großen Respekt für die Fotografen, die so etwas können und ihr tägliches Brot damit verdienen. Wahrscheinlich werde ich mich dem auch irgendwann (wieder) widmen müssen. Die digitale Variante gibt mir persönlich jedoch einfach keinen Kick, und aktuell passt sie nicht zu meinen Vorstellungen. Allein wenn ich daran denke, mit einer Kleinbildkamera ein paar unterbelichtete Schnappschüsse zu machen und diese dann kräftig zu entwickeln, oder mit einer Großformatkamera perfekte Negative zu erzeugen, bekomme ich schon wieder Lust darauf loszulegen. Da juckt es mir richtig in den Fingern. Allein das ist doch wichtig! Das Werkzeug und die Methode müssen die Leidenschaft fördern. Was nützt einem die beste Kamera, das beste Verfahren, wenn man diese nicht gerne benutzt?

 

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Ich beschäftige mich viel mit der Fotografie im Allgemeinen, was sich auch in meinen Arbeiten zeigt. Momentan setze ich mich fast ausschließlich mit dem künstlerischen Potenzial dieses Mediums auseinander. Seit 2015 bin ich gelernter Fotograf. Aktuell studiere ich die Fotografie an der Fachhochschule Dortmund. Für die Fotografie ist die Wahl der Ausrüstung ebenso wichtig, wie die Verarbeitung des Materials und Farbe des Kameragurts.