Von Bernhard Kipperer
Auf 35mm drehte Kubrick “Barry Lyndon” und Copolla den ersten „Paten“. Die Beatles filmten ihren letzten Film “Let It Be” mit dem berühmten Dachkonzert auf der 16mm-Variante. Diesen Film wollte ich nun in Fotokameras und der Krasnogorsk verwenden – die Rede ist vom Eastman Color Negative 7254, einem ECN-1 Film der späten sechziger, frühen siebziger Jahre.
ECN-1-Filme benutzten andere Chemie und einen langsameren, kühleren Prozess als die heute üblichen ECN-2-Filme, die 1974 auf den Markt kamen. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Einmal stieß ich dabei auf mehrere hundert Fuß von über 44 Jahre altem 16mm-Farbnegativfilm, über deren Lagerung mir nichts bekannt ist. Wenn man sie sehr lange belichtet und in schwarz-weiß entwickelt, könnte man ja vielleicht noch was mit den Filmen anfangen. Trotz fehlender Chemie wollte ich ihnen jedoch Farbbilder entlocken – und sogar Filme in meiner Krasnogorsk bei 24 Bildern pro Sekunde „verdrehen“.
Die Filme wurden seinerzeit als ISO 100 verkauft. Pro Altersjahrzehnt zog ich eine Blende ab; bei rund 4,5 Dekaden landete ich also zwischen ISO 3 und 6. Für Fotos am Stativ ist das kein Problem, nur wie soll man damit jemals Bewegtfilm mit 24 Bildern pro Sekunde schießen?
Beim Öffnen der ersten Dose begrüßte mich sogleich der ungeliebte Geruch von Essig, auch klebten einige Lagen des Films aneinander. Ich fertigte einen Adapter an, um den 16mm breiten Film mittig in eine 35mm Kleinbildkamera laden zu können. Aus der 135er Patrone schaute ein Stück 16mm-Film heraus, an das ich doppelseitiges Klebeband anbrachte. An diesem speziellen Vorspann war ein weiteres Stück Klebeband angebracht. Damit konnte ich den 16mm-Film sehr einfach im Dunkeln zwischen beiden Enden befestigen und die Patrone aufspulen, bevor ich sie im Hellen in die Kamera einlegte.
Meine ersten Tests wurden zunächst in Waschsoda gebadet, um den Remjet aufzuweichen; die Reste wurden vorsichtig mechanisch entfernt. Dann wurden sie bei ISO 3 in Rodinal 1+25, 22°C für 5 Minuten entwickelt. Weil ich noch unsicher war, ob ich echte Farbentwicklung jemals schaffen könnte, hatte ich den alten Trichromie-Trick angewandt und durch drei Filter rot/grün/blau fotografiert.
Alle drei Bilder in Photoshop überlagert ergaben ein interessantes Resultat, vor allem die hübsch bunten Perforationslöcher gefielen mir gleich.
Die erreichbare Schärfe des 16mm Films in der 35mm Kamera war aber beschränkt. Auch lag der Film lag nie perfekt horizontal im Gate. Auf Ebay fand ich eine Pentax Auto 110, eine der wenigen 110er Spiegelreflexkameras, die auch 16mm-Film laden konnte. Für 110er-Film werden speziellen Patronen benötigt. So eine musste ich also finden, aufknacken und dann im Stockdunklen mit 76cm vom Eastman 7254 beladen.
Die Pentax hat einen eingebauten Belichtungsmesser. Der misst durch die Linse, bietet aber sonst keine Möglichkeit, auf ISO 3 oder wenigstens beliebig lange zu belichten. Ich fand heraus, dass ich den Belichtungsmesser austricksen konnte, um so bis zu einer Sekunde lang zu belichten: Mehrere Schichten Filmanfang übereinander geklebt schluckten gerade so viel Licht, dass es dem Unterschied zu meinen angepeilten ISO 3 entsprach. Ich hielt also meine Filmanfänge vor die Linse, drückte ab und zog sie wieder blitzschnell aus dem Bild. Dieses Foto von der Tulpe ist eines meiner besten Ergebnisse mit dem Eastman 7254 in der Pentax. Es wurde sogar 2018 in Graz von einer Fotogalerie ausgewählt und ausgestellt.
Nachforschungen im Internet zum damals geläufigen Fotofilmprozesses C-22 ergaben, dass früher deutlich tiefere Temperaturen und längere Zeiten als bei C-41 oder ECN-2 genutzt wurden. Durch Vergleiche und Extrapolation landete ich bei 20–22°C und 12 Minuten für den Farbentwickler, 12 Minuten für den Bleichfixierer und noch einer weiteren Minute für das Stabilisierbad. Ich nahm das übliche Tetenal C-41 Kit. Das Staunen war groß, als es tatsächlich klappte, diesen Eastman 7254 in Farbe zu entwickeln! Wer noch weitere Beispiele der Pentax sehen möchte findet diese auf www.filmcurl.com.
Während des Urlaubs war es dann soweit. Es gab genug Sonne, um bei ISO 3 fast 1/60s Belichtungszeit zu erreichen. Für die 24 Bilder pro Sekunde in der Krasnogorsk würde das gerade noch so reichen. Ich ging also mit Offenblende f1.9 umher und drehte einen Testfilm. Das Negativ selbst, zuhause entwickelt, sah zunächst nicht sonderlich vielversprechend aus. Zum Glück überzeugte mich mein Fotoscanner, als er mir folgendes Resultat bescherte:
Ich ließ den ganzen Film bei Ochoypico in Madrid scannen. Einige Szenen des Negativs, vom 4k-Scan auf 1080 Pixel heruntergerechnet, können hier angesehen werden:
Eastman Color Negative 7254 1972 ECN-1 test shots von Bernhard Kipperer auf Vimeo.
In der Zwischenzeit fand ich noch weitere Eastman-7254-Rollen von 100 Fuß Länge auf Ebay, die nicht nur äußerlich wunderschön waren; eine der Dosen, die ich bisher geöffnet habe, roch auch sehr angenehm nach Film. Die Experimente werden also noch weitergeführt, und ich werde in Zukunft wohl wieder etwas zu berichten haben.