Hunde, Strand und Stillstand: Nils Karlson im Interview

Nils Karlson. Der Nils Karlson des erfolgreichen Crowdfunding-Buches „Earth Stans Still“, der Strand– und Hundebilder. Bestimmt ein Liebhaber des Rampenlichts und der lauten Töne. Muss man ja auch irgendwie sein wenn man so etwas schafft oder? Aber weit gefehlt. Nils offenbarte sich mir als bedachter, ruhiger und besonnener Mensch der seine Familie und seine Hunde liebt. Ich war sehr gespannt auf seine Antworten, und als wir fertig waren kam mir nur ein Gedanke: Die Bilder und die Antworten zeigen den wirklichen Menschen. Ruhig, besonnen, positiv unaufgeregt und trotzdem auf den Punkt gebracht. Meine Damen und Herren: Der wunderbare Nils Karlson!

Hallo Nils!
Aloha!

Zu Beginn erstmal herzliche Gratulation zum Erfolg deines Buches „Earth Stands Still“.
Danke für die Blumen!

Aber der Reihe nach. Kannst du uns die folgenden Sätze vervollständigen?

Kodak Portra ist… irgendwann noch mein finanzieller Ruin. Aber das war es wert.
Meiner Meinung nach werden Pinhole Kameras… häufig unterschätzt.
Ein Leben ohne Hund… riecht weniger nach Hund? Für mich macht das Konzept „ohne Hund“ keinen Sinn.
Meine Heimat (das Ruhrgebiet) verhält sich zum Strand wie… Instantkaffee zu einer Teezeremonie.
Analog statt digital, denn… ich mag lieber einen selber zubereiteten Kaffee als Instanthühnerbrühe.
Wenn ich meinen Stil beschreiben müsste, dann… würde ich mir ganz verrückte neue Begriffe einfallen lassen um alle damit zu verwirren.


Zurück zu den klassischen Fragen: Wie bist du zur (analogen) Fotografie gekommen?
Über Umwege – angefangen hat es mit dem Unvermögen meiner uralten Handykamera, meine Katzen zu photographieren. Weiter ging es mit einer digitalen Kompaktkamera, einer ersten (und letzten) DSLR. Da hatte ich von dem ganzen Technik-Klamauk und Aufrüstungswahn schnell die Schnauze voll und habe mich mit Velvia50 am Kleinbild ausprobiert. War zwar nett, aber ich habe immer über das Bildseitenverhältnis geflucht, was mich ins Mittelformat getrieben hat, wo ich mich jetzt auch heimisch fühle. Auch wenn gerade eine 4×5 Kamera reingeschneit ist.

Ich habe gelesen, du möchtest in spätestens 10 Jahren von der Fotografie leben können. Das ist nun ziemlich genau ein Jahr her. Wie weit bist du auf deinem Weg?
Gute Frage – ich neige ja zu Umwegen und Abwegen, deshalb kann ich das schwer einschätzen. Auf jeden Fall viel weiter als ein Jahr zuvor – ich hatte meine erste Einzelausstellung in Bochum, war Teil von Gruppenausstellungen des Film Shooters Collective in Barcelona und St. Louis, habe mein erstes Buch veröffentlicht und weitere Arbeiten in zwei Büchern („NSEW“ sowie „The f/D Book Of Pinhole“) unterbringen können. Oh, und ich habe jetzt eine richtige Website. Das macht ja auch was her.

Wie bereits erwähnt ist dein Buch „Earth Stands Still“ ausverkauft. Das ganze Projekt wurde über Indiegogo als Crowdfunding realisiert. Kannst du uns etwas über die Entstehung berichten?
Das Ganze hat eine Geschichte, die sich über zwei Jahre zieht – da könnte ich ein Buch drüber schreiben! Denn selbst jetzt, wo alle Bücher weg sind, ist das alles noch ein sehr komplexer Brocken für mich, der in meinem Bestreben nach Ruhe und Balance, dem Tibetanischen Totenbuch, dem Horizont und dem Atlantik gewurzelt ist.
Technisch gesehen war es der Weg von der Idee von einem einfachen “Book On Demand“ zu einer limitierten Kleinauflage von 100 Stück in hoher Qualität auf einer ganz bestimmten Papiersorte. Das hatte wiederum Auswirkungen auf die finanzielle Planung, die das Crowdfunding notwendig machte, wodurch ich nicht nur für die Bilder, den dramaturgischen Fluss des Buches, Kollaborationen mit weiteren Photographen, Buchdesign etc. verantwortlich war, sondern auch noch Marketing und Public Relations. Letztendlich war (und ist) das eine wahnsinnig wertvolle Lernerfahrung für mich.

In einem Post auf Facebook hast du ein neues Buch für das Jahr 2017 angekündigt. Alles streng geheim, oder gibt es schon Infos?
Im Idealfall möchte ich vor dem Sommer ein Magazin mit dem Titel „On Eye Level“ veröffentlichen, in dem ich mich auf die Photographien meiner Hunde konzentriere. Keine Ahnung, ob das da draußen überhaupt jemand interessiert. Aber letztendlich ist ein solches Magazin finanziell überschaubar, das Risiko gehe ich einfach ein. Das zweite Buch soll dann im Spätsommer / Frühherbst wieder über ein Crowdfunding finanziert werden. Geplant ist eine Auflage von 200 Stück in Zusammenarbeit mit der Druckerei, die bereits „Earth Stands Still“ für mich produziert hat. Ein Arbeitstitel gibt es auch bereits, den verrate ich aber erst, wenn ich das ok von einer Band bekommen habe, ob ich ein Textfragment für die Einleitung verwenden darf.

Wenn du auf eine Insel nur eine einzige Kamera mitnehmen dürftest, welche wäre es? Warum, und mit welchen Zubehör/Film?
Das kommt ein bisschen darauf an, welche Insel das ist – und ob meine Hunde mitkommen. Ohne Hunde wäre es mir recht egal. Vielleicht eine Nikonos, mit der kann ich dann auch ins Wasser. Mit Hunden würde ich die RZ67 samt 6×6 Rückteil und dem 110mm Objektiv einpacken. Wenn ich nicht auf die Finanzen gucken muss, dann gerne ein Koffer voll mit Portra800, ansonsten gerne auch Fuji400h. In der Realität neige ich dazu, zu viel Kram mitzunehmen – viel zu viel.

Was inspiriert dich?
Da ist glaube ich ein höchst komplexes Thema…letztendlich wohl: Das Leben. Alles ist miteinander verknüpft. Ich benutze wahrscheinlich nicht umsonst eine eher leise Bildsprache. Hin und wieder treffe ich auf etwas, was mich besonders berührt. Da schaue ich dann, welche Anteile davon ich für mich nutzen kann.

Welche Künstler sind deine Vorbilder?
Ich tue mich mit dem Begriff „Vorbild“ schwer. Häufig wird das ja als Namedropping genutzt, um sich in Kontext mit irgendwelchen großen Namen zu bringen, was ich genau so wenig wünschenswert finde, wie diese ganzen Zitate bekannter Photographen, die unreflektiert und aus dem Kontext gerissen unter irgendwelche Bilder geklatscht werden. Wenn irgendwelche Namen mit meinen Werken in Verbindung gebracht werden, denke ich zumeist „Hä? Was? Wo kommt das denn her?“, weil die Verbindung zumeist völlig ohne tieferen Bezug ist und rein auf Oberflächlichkeit beruht. Aber natürlich gibt es Künstler, die ich toll finde. Und die sicherlich auch abfärben – wie gesagt: Alles ist miteinander verknüpft.

Hast du ein Traumprojekt, oder konntest du es bereits realisieren?
Ich habe Traumprojekte für mehrere Leben! Ich reise gerne, am liebsten mit meiner Frau und den Hunden. Und wenn es nicht die eigenen Hunde sind, dann möchte ich andere Hunde photographieren können. Oder eben Landschaften – Städte und Leute interessieren mich wenig. Auf meiner Liste stehen jedenfalls die europäische Atlantikküste, Skandinavien, Schottland, Iran, Malaysia, Alaska… Andererseits würde ich gerne auch mal ein Jahr in einem kleinen Steinhaus in der Bretagne verbringen, und jeden Tag zu denselben Zeiten immer wieder das gleiche Motiv photographieren. Ach, zu viele Ideen für eine Lebensspanne.

Deine Bilder zeigen sich oft gedämpft und in Pastellfarben. Warum? Knallt es bei dir auch farbig manchmal?
Nee, genau davon wollte ich weg. Diesem ganzen „Wenn du gehört werden möchtest, dann musst du lauter schreien als alle Anderen“. Da will ich nicht mitmachen.

Mit was verbringst du deine Zeit, wenn du nicht gerade fotografierst oder mit deinen Hunden unterwegs bist?
Naja…arbeiten. Ich bin in der privilegierten Lage einen Job zu haben, den ich gut und sinnvoll finde, und der mich finanziell einigermaßen absichert. Ansonsten: Wir haben auch Katzen, aber die sind photoscheu. Schade. Musik ist mir noch wichtig – photographieren tue ich ja erst seit 2012, aber ich spiele seit dreißig Jahren in irgendwelchen Bands. Sowas bleibt. Aber die meiste freie Zeit hat irgendwas mit Photographie zu tun – sei es, dass ich Photobücher anschaue, eigene Sachen plane oder ausrechne, wann ich mir meinen nächsten Batzen Film bestellen kann.

Was war dein bestes Reiseziel zum Fotografieren bisher?
Das wird dann wohl die Bretagne gewesen sein. Nicht nur, dass die Landschaften sehr abwechslungsreich sind, das Licht dort hat Eigenschaften, die ich sehr schätze. Außerdem mag ich die Ruhe.

Welchen Ratschlag kannst du jungen analogen Fotografen geben?
Wenn irgendjemand euch weiß machen möchte, dass Portra ein Portraitfilm ist, dann antwortet einfach, dass ihr Portraits von Landschaften macht – lasst euch nicht in irgendwelche „das war schon immer so“ oder „das ist dazu gemacht“ Kategorien einsperren. Lasst euch nicht von dem ganzen Technikgesülze einlullen. Es gibt keine guten und keine schlechten Kameras. Schwarz-weiß ist nicht „die erhabenere Kunst“. Sowas gibt es nicht.

Noch letzte Worte?
Fragt euch nicht, ob eure Sachen den anderen gefallen. Wenn ihr nicht wisst, ob ihre eure eigenen Photos mögt, macht euch genau darüber Gedanken.

Vielen Dank für das Interview!

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