Mogendorfer Senior arbeitet wochenlang unter der Sonne Tansanias

Anmerkung von APHOG Next: Wir haben aus einer Fülle von wunderschönen Fotos eine Auswahl treffen müssen. 

Mogendorfer Senior arbeitet wochenlang unter der Sonne Tansanias

Eberhard Ströder zeigt vorbildlichen Einsatz für die Menschen des ostafrikanischen Staates – Viele Projekte ins Leben gerufen

Eigentlich haben die Ärzte Eberhard Ströder aufgegeben. Vor 20 Jahren ist der Westerwälder so krank, dass es nach menschlichem Ermessen kaum noch Hoffnung für ihn gibt. Heute glaubt er, dass Gott das wohl anders sah: Ströder überlebt und verspricht ihm und sich, aus seinem geschenkten Leben etwas Gutes für andere zu machen. Nicht, dass er das bis dahin nicht getan hat: Schon damals ist Ströder seit Jahrzehnten als Organist und im Vorstand seiner Kirchengemeinde aktiv. Doch Anfang der 2000er findet er seine Berufung woanders: in Tansania.

In den frühen 1990er-Jahren hat er sich während einer Reise in das Land verliebt. Nach seiner Krankheit weiß er, dass er nicht nur Tourist, sondern Helfer sein will. Ströder ist Schreinermeister; ein Handwerker, der anpackt, wenn es etwas zu tun gibt. Anfangs hilft er seinem Freund Lee Cosmas Ndeij beim Aufbau einer Schreinerei in der Stadt Korogwe. Wochenlang haben er und andere Helfer an und in der Werkstatt malocht. Inzwischen läuft der Laden, schafft Arbeitsplätze und trägt sich selbst. Heute entstehen dort Hütten für die Arbeiter einer Straßenbaufirma, Möbel für ein nahegelegenes Hotel und vieles mehr.

Die Mitarbeit an der Schreinerei ist aber nur der Anfang. Seitdem baut Ströder in eigener Regie weiter: 2012 ein Wasserauffangbecken („Der Boden war steinhart, und wir hatten nur so kleine Hacken“), nebenbei ein paar Särge („Mit Fensterchen in den Sargdeckeln. Das mögen die Leute dort“), einen Kindergarten und ein paar Jahre später eine komplette Nähwerkstatt. In ihr werden junge Frauen zu Näherinnen ausgebildet, damit sie sich und ihre Familien versorgen können. „Zurzeit bauen wir in der Nachbarschaft ein Internat, in dem die Frauen übernachten können, damit sie nicht stundenlang in ihre Heimatorte zurückgehen müssen“, sagt Ströder.

Ein paar Kilometer weiter, im Örtchen Michungwani, entsteht das bislang größte Projekt des umtriebigen Seniors: eine Grundschule für 300 Schulkinder und deren Lehrer. Drei Gebäude, von denen zwei wohl schon nächstes Jahr fertig sind. Als Ströder 2019 in Tansania ist, verändern sich die beiden Bauten fast täglich: Die Arbeiter – in der Regel Tagelöhner – sägen wagemutig in schwindelerregender Höhe die Dachbalken zurecht, verlegen die Elektrik, den Estrich und bringen das Dach an, das in Tansania meistens aus Wellblech besteht.

Während seiner jüngsten Reise packt Eberhard Ströder nicht mehr ganz so hart an wie früher. Er geht inzwischen auf die 80 zu und überlässt die Arbeiten an der Schule und dem Nähinternat den kräftigen Arbeitern vor Ort. Was die Spendenakquise angeht, ist sein Elan aber ungebrochen: Von Anfang an sammelt er in seiner Heimat Geld und wirbt unermüdlich für sein Herzensland. Im Laufe der Jahre sind so mehr als 100.000 Euro zusammengekommen. Und das Geld kommt eins zu eins bei denen an, die es brauchen. Anfangs hat er es in bar mitgenommen und vor Ort die Materialien gekauft, die für den Bau der Projekte nötig sind. Inzwischen hat er ein Konto und hebt es in der Bank im Städtchen Korogwe ab.

Der Schreinermeister kann zwar rechnen, gibt aber gerne und großzügig. „Ich brauche keine Million, und wenn ich in Afrika bin, lebe ich in einfachen Hütten auf dem Land. Geld alleine bringt’s nicht. Es sind die Begegnungen mit Menschen, die mir guttun“, sagt er. Menschen, die er im Laufe der Jahrzehnte schätzen gelernt hat: „Die Leute sind trotz ihrer Armut glücklich“, glaubt er. „Die Gottesdienste dauern stundenlang und werden im wahrsten Sinne des Wortes gefeiert; alle teilen, was sie haben. Und jeder hat ein Lächeln auf dem Gesicht. Es ist eine ganz andere Welt.“

Mit der Kamera begleitet

Nun habe auch ich, Peter Bongard, diese Welt kennengelernt. Im Sommer 2019 besuche ich Eberhard Ströder zweieinhalb Wochen in Tansania, um dort über seine Projekte und das Leben der Menschen in der Stadt Korogwe und dem Ort Michungwani zu berichten. Eine besondere Reise, die ich besonders in Szene setzen will: mit einer Ausrüstung, die leicht, zuverlässig und die mir über die Jahre ans Herz gewachsen ist. Ich entscheide mich also, das Projekt ausschließlich auf analogem Film zu fotografieren und nehme meine Leica MP, meine Leica M3 und meine Rolleiflex 3.5f mit. An der MP befindet sich fast ausschließlich das 35mm Summicron, in ihr meistens Ilford HP5 Schwarzweißfilm. Die M3 lade ich mit Portra 160 und 400 und nutze an ihr nur das 50mm Summicron. In der Rolleiflex steckt meistens eine Rolle Portra; gelegentlich Ilford HP5 Schwarzweißfilm. Die Beschränkung auf zwei sehr ähnliche Brennweiten und recht kleine Kameras gibt mir die Freiheit, mich mehr auf die Menschen zu konzentrieren, als das mit einer umfangreichen DSLR-Ausrüstung der Fall gewesen wäre. Und: Ich kann zumindest eine Kamera immer bei mir tragen, ohne dass ich zuviel mit mir herumschleppe – entweder in einer Fotoweste, meiner Domke-F6-Tasche oder bei längeren Touren in meinem Compagnon-Rucksack. Darüber hinaus habe ich den Eindruck, dass die Kameras auf viele Menschen weniger bedrohlich wirken als größere Modelle. Fast jeder, den ich frage, lässt sich gerne von mir fotografieren. Vielleicht auch, weil ich mir vorher ein paar einfache Grußformeln auf Suaheli gemerkt habe.

Eine Sache habe ich aber unterschätzt: In Tansania ist es im August ab 19 Uhr sehr, sehr dunkel. Straßenbeleuchtung gibt’s in der Regel nicht; in den Häusern sorgen oft nur ein paar Energiesparlampen für funzeliges Licht, und für den abendlichen Gang über die Lehmstraßen braucht man eine Taschenlampe – nicht nur für sich, sondern auch, um von den waghalsigen Motorradtaxifahrern gesehen zu werden.

Abgesehen davon bin ich froh, dass ich die Reise auf Film fotografiert habe. Nicht nur wegen des Looks, der der dunklen Haut und die leuchtenden Farben der Stoffe einen besonderen Schmelz verleiht. Sondern auch wegen des großen Belichtungsspielraumes. Die Serie der Handwerker in der Schreinerei habe ich aus Versehen knapp vier Blenden überbelichtet: Ein kleiner Junge hatte am Tag zuvor beim Spielen mit meinem externen Belichtungsmesser die ISO-Zahl von 400 auf unter 50 verstellt. Trotzdem ist das Ergebnis einwandfrei.

Außerdem waren bei den 25 Filmen, die ich verschossen habe, kaum richtig misslungenen Bilder dabei. Ich persönlich fotografiere tatsächlich bewusster als mit der Digitalkamera; denke vorm Drücken des Auslösers vielleicht doch noch mal darüber nach, ob sich das Motiv wirklich lohnt. Durch diese bewusstere Herangehensweise ans Fotografieren lerne ich immer noch und immer wieder unheimlich viel. Und ich glaube auch, dass eine besondere Reise und ein besonderes Hilfsprojekt wie das von Eberhard Ströder es wert sind, auf einem „greifbaren“, eleganten Medium wie Film verewigt zu werden. Rational erklären kann ich das natürlich nicht. Aber für mich ist die Fotografie auf Film eine Art der Wertschätzung, die ich meinem Motiv entgegenbringe.

Im Detail:

Für sein Engagement ist Eberhard Ströder 2013 mit dem Silbernen Ehrenkreuz der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ausgezeichnet worden. Er hat ein Spendenkonto für die Hilfsprojekte in Tansania eingerichtet. Wer die Arbeit unterstützen möchte, kann das unter folgender Bankverbindung tun: Eberhard Ströder, IBAN DE22573510300155089006, Stichwort: „Spende Tansania“.

Peter Bongard ist Öffentlichkeitsreferent des Evangelischen Dekanats Westerwald und hat Eberhard Ströder in Tansania zweieinhalb Wochen mit der Kamera begleitet. Die Fotografien sind ausschließlich auf analogem Schwarzweiß- und Farbfilm entstanden.