Auf Ajay Malghan wurde ich durch einen Wired-Artikel aufmerksam. Ich suchte nach Inspiration für meine neue Vorliebe für Filmzerstörung. Und ich wurde fündig. Die Werke von Ajay beeindrucken mich jedes Mal neu. Ehrfürchtig fragte ich bei ihm an ob er sich ein Interview vorstellen könnte und wurde sofort positiv überrascht. Die Antwort war schnell da, die Fragen sofort im Kasten. Dabei durfte ich neben der künstlerisch-verrückten Seite auch eine sehr nachdenklich und politisch interessierte Person kennen lernen.
Hallo Ajay! Kannst du uns etwas über dich erzählen?
Ich bin 37, wohne in Baltimore und liebe koreanisches Essen, Synthesizer und Malerei. Ich wünschte mir, ich wäre zur Filmschule gegangen.
Was hat dich zur Fotografie gebracht?
Es hat damit begonnen, dass ich eine Kamera zum Wandern mitgenommen habe, und dann hat es sich immer weiterentwickelt. Im Jahr 2006 habe ich einen Kurs am Community College über die Arbeit in einer Schwarz-Weiß-Dunkelkammer belegt. Später in 2009 brauchte ich veränderung in meinem Leben – Also bin ich an einen anderen Ort (in den Süden des Landes) gegangen, an dem ich mich aber sehr unwohl fühlte. Ich kannte niemanden und die Vergangenheit des Südens gefiel mir definitiv auch nicht. Ich dachte, dass die Veränderung meine Kunst in eine neue Richtung antreiben könnte, was dazu führte, dass ich mit Farbabzügen in der Dunkelkammer experimentierte. Keiner interessierte sich dort dafür, daher hatte ich zwei Vergrößerer und die Maschine für Abzüge nur für mich.
Wie kann man deinen Stil beschreiben?
Ich glaube, ich habe keinen bestimmten Stil, weil mich viele Sachen interessieren. Das meiste ist allerdings irgendwie „komisch“. Ich habe mich darauf spezialisiert, Alltagsmaterialien und -gegenstände zu nehmen, und diese in einer neuen Betrachtungsweise zu präsentieren.
Wenn man deine fotografische Laufbahn betrachtet, sieht es aus als ob du mit „gewöhnlichen“ Fotografien begonnen hast. Was hat dich dazu gebracht, über Mehrfachbelichtungen und Filmzerstörungen einen neuen Weg zu gehen?
Einfach gesagt: Es langweilte mich, hintereinander zwölf Bilder zu sehen, welche um eine ausgedachte Geschichte herum fabriziert wurden. Also habe ich beschlossen, loszuziehen und etwas zu suchen, das greifbar aber unbekannt ist. Ich wollte mit fotografischen Materialien Unikate erstellen.
Und warum gerade analoges Material?
Es ist physisch, bedeutungsvoll und unvorhersehbar. Es hat etwas unglaublich befriedigendes, wenn man sich mit dem Kunstobjekt physisch befasst und herausfinden kann, wie man es auf neue Arten manipulieren/verändern kann.
Wer inspiriert dich dabei?
Jim DuSel, mit dem ich seit Kurzem befreundet bin, ist ein Meister der Abzüge. Er stellt in seinem Keller seine eigenen Emulsionen her und hat damit über jeden Schritt des fotografischen Prozesses die volle Kontrolle. Keine Technik ist ihm fremd und er hat sich Alles selbst beigebracht. Schon die Unterhaltung über Entwickler mit ihm ist eine erleuchtende Erfahrung. Er ist das genaue Gegenstück dazu, wenn ich nach einer Kameraempfehlung gefragt werde.
Außerdem ist Alles, an dem Richard Mosse, Ben Frost und Trevor Tweeten arbeiten brillant. Ich denke die Enklave ist eines der besten Kunstwerke die je geschaffen wurden; ihr neues gemeinsames Projekt ist aber sogar noch bedeutender. Sie benutzen Überwachungstechnik um die Erlebnisse der Flüchtlinge in verschiedenen Ländern zu transportieren. Nachrichten können nur einen gewissen Teil leisten, Aufgabe der Künstler ist es, die entstehende Leere mit Informationen zu füllen.
Abschließend finde ich, dass David Bowie der größte Künstler den wir je erleben durften – „Blackstar“ ist ein Meisterstück, ich bewundere es noch immer.
Welches deiner bisherigen Projekte würdest du als dein Meisterstück bezeichnen?
Ich würde sagen, dass „Atom City“ gerade mein Liebling bisher ist, weil es mein aktuellstes Projekt zeigt, und es über ein Jahr gewachsen ist.
Und welchen photographischen Traum hast du?
Ich bin gerade dabei mein Traumprojekt zu verwirklichen. Es hat 4 Jahre gedauert, bis ich zurück nach Hong Kong gereist bin um meine „Alleys-Serie“ [deutsch: Gassen] zu beenden. Ich habe eine 6×9 Mamiya Press Kamera benutzt, welche ziemlich große Negative erzeugt; die Tiefenschärfe die nur Film einfangen kann ist für solche Plätze perfekt. Ich hoffe dass ich nächstes Jahr ein Buch mit den Bildern fertig bekomme und die Bilder ausstellen kann.
Es hört sich also so an, als ob du auch „gewöhnliche“ Fotos magst?
Die Bilder müssen eine Bedeutung haben um mein Interesse zu wecken. Ich habe die letzten drei Jahre lang Plätze auf dem Weg des Underground Railroads [Anmerkung: das Underground Railroad war ein Netzwerk weißer Südstaatler, welches den Sklaven bei der Flucht in den Norden half] in ganz Amerika dokumentiert. Die entstandenen Bilder sind so direkt und gewöhnlich wie es nur geht.
Du arbeitest aber auch viel mit Chemie. Ich habe mich auch schon an einige Experimente gewagt, und festgestellt, dass man den Prozess nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen kann. Was bedeutet genau diese Unvorhersagbarkeit für dich?
Es ist vergleichbar mit Jazz, es gibt bestimmte Rahmenbedingungen, ob es nun Tonleitern oder chemische Verbindungen sind die gelernt und respektiert werden müssen. Nach dem du das „Lehrbuch“ durch hast kannst du es über Bord werfen und damit beginnen diverse Bruchstücke darauß zu behalten/kombinieren um herauszufinden was dich wirklich interessiert.
Wie gehst du mit den Rückschlägen um die genau diese kreative Herangehensweise mit sich bringt?
Es ist alles ein Teil des Prozesses, aus gutem Grund sind 36 Bilder auf einer Filmrolle und 100 Blatt in einer Schachtel Fotopapier. Es gibt schlechte Tage und sie sind frustrierend, aber das ist was den Prozess interessant macht, es ist die Art wie man damit umgeht, wie man auf seinem Weg weiterkommt.
Kannst du deine Arbeitsphilosophie erklären? Was bringt dich dazu, dass du tust was du tust?
Ich glaube, ich habe meine kindliche Neugier nie verloren, wahrscheinlich haben meine Neffen auch etwas damit zu tun. Als ich fünf war habe ich einen Schraubenzieher in eine Steckdose gesteckt und mit dem Kurzschluss das ganze Haus lahmgelegt – Mit sechs Jahren habe ich das Selbe in einem anderen Haus gemacht um herauszufinden, was mit dem Fernseher passieren würde. Mein Vater und mein Bruder sind Ingenieure und waren natürlich sprachlos darüber, sie konnten nicht verstehen warum ich das tat und was meine Beweggründe waren. Ich denke, diese Geschichte fasst meine ganze Karriere eigentlich sehr gut zusammen.
Was würdest du Leuten raten, die auch mit der Film- und Bildzerstörung anfangen wollen?
Kauft euch einen Atemschutz und Handschuhe. Achtet darauf, dass ihr an einem gut zu lüftenden Ort arbeitet.
Du hast bereits Nahrungsmittel, die Elemente der Natur und Chemie benutzt um Bilder herzustellen. Was kommt jetzt?
Ich überlege, mit dem Wasser der „Superfund Sites“ [Anmerkung: Plätze die durch giftige Substanzen oder Chemie verseucht wurden] der USA zu arbeiten. Wenn die kommende Regierung ihrem Plan folgt, wird die EPA [Anmerkung: Environmental Protection Agency = Umweltschutzbehörde] bald nur noch sehr eingeschränkt arbeiten können und eigentlich handlungsunfähig werden. Das Projekt wird keine Kameras nutzen, ich will aber festhalten welchen Schaden wir der Erde und seinen Bewohnern angetan haben.
Wie verbringst du sonst deine Tage?
Ich arbeite als Drucktechniker bei Full Circle Fine Arts Services in Baltimore. Ich arbeite an Reproduktionen, Archivierung, Retuschen und dem Druck. Ich mach nur selten zwei Tage hintereinander die gleiche Arbeit.
Welchen Ratschlag hast du für aufstrebende Fotografen?
Lest so viel ihr könnt, und achtet darauf, dass es nicht nur Fotografiebücher sind. Umgebt euch mit Leuten, die an euch glauben und seid nett zueinander – Ich habe zu viele Fotografen getroffen die nur mit dir reden, wenn sie denken, dass es ihrer Karriere helfen könnte.
Noch letzte Worte oder Warnhinweise bevor wir zum Ende des Interviews kommen?
„Fuck Donald Trump.“
Wer mehr von Ajay Malghan sehen möchte kann das über seine Webseite, und bei Instagram, Facebook und Twitter.