Minolta XM und Minolta XM-Motor

Die Königsklasse aus Osaka

von Marwan El Mozayen

In den 70iger und 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts gehörte es selbstredend dazu, dass die sogenannten „Großen Fünf“, Nikon. Canon, Minolta, Pentax und Olympus zumindest ein Kameramodell der Oberklasse anbieten konnten. Nikon legte 1959 mit der Nikon F Reihe vor, der Konkurrent Canon folgte mit der Canon F1 ab 1970. Pentax folgte mit der LX und Olympus konnte mit einigen Modellen aus der OM Serie die höchsten Ansprüche erfüllen.

Und was hatte Minolta zu bieten?

Allgemein ist bekannt das der Hersteller aus Osaka mitte der 80iger Jahre mit der Minolta 9000 die erste Profi AF-Kamera auf den Markt brachte gefolgt von der Dynax 9xi und später der Dynax 9 sowie Dynax 9Ti. Aber speziell für das SR-Bajonett kommt den meisten als erstes die SRT-Reihe gefolgt von den XE und XD Modellen sowie X-Modellreihe der 80iger in den Sinn. Diese Kameras würde man heute mit dem neudeutschen Begriff „Prosumer“ versehen. Also ein Gerät mit gehobener Ausstattung das sowohl den Anspruchsvollen Amateur anspricht und auch für den professionellen Einsatz durchaus Verwendung findet.

Weniger bekannt aber nicht minder spektakulär, auch Minolta hatte für das SR Bajonett ein Top Modell der Superlative zu bieten das in jeder Form neue Maßstäbe setzen sollte.

Auf der Photokina 1972 konnte das Team unter der Leitung von Y. Kuramoto nach fast 10 Jahren Entwicklung mit der Minolta XM eine Kamera mit Wechselsucher und Mattscheiben vorstellen die technologisch, dank einer neuartigen über ICs elektronisch gesteuerten Zeitautomatik der Konkurrenz von Nikon und Canon mindestens ein Jahrzehnt voraus war.


Die Minolta XM-Motor war bis zur Ablösung durch die Minolta 9000 im Jahr 1985 im Minolta Programm.

Die neue Kamera wurde auf der Messe in zwei Varianten vorgestellt, als XM mit manuellem Filmtransport und als XM-Motor Variante mit fest eingebautem Motordrive die etwas später erscheinen sollte.

Die Minolta XM wurde regional unter verschiedenen Namen verkauft, in Amerika als Minolta XK und im asiatischen Raum unter der Bezeichnung Minolta X-1. Die Funktionen und die Ausstattung sind bei XM, XK, X-1 identisch.

Die Hi-Tech Minolta XM

Das gesamte Kamerakonzept ist beeinflusst von dem elektronisch gesteuerten, horizontal ablaufenden Titanrollo Schlitzverschluß mit einer Ablaufzeit von 9ms. Der Zeitenbereich beginnt bei 16 Sekunden und ermöglicht mit dem Wahlrad des Automatiksuchers die stufige Einstellung bis zu einer 1/2000 Sekunde. Als Batterieunabhängige Notzeit steht zusätzlich noch die Blitzsynchronisation „X“ mit 1/100s sowie „B“ zur Verfügung.

Titanrollo Schlitzverschluß 

Diese Kamera benötigt für ihre Elektronik Strom und bezieht diese Energie aus zwei 1,5 Volt Silberoxyd Batterien. Diese versorgen neben der Verschlusssteuerung auch die entsprechend Wechselsucher. Ein transistorgesteuertes Signallicht an der linken Seite des Gehäuses gibt bei Bedarf immer Auskunft darüber ob genügend Spannung vorhanden ist. Ist die Batterieladung zu gering bleibt zur Warnung vor Fehlbelichtungen der Spiegel oben und der Filmtransport wird blockiert. Es erfolgt dann auch nach der Auslösung keine Belichtung.

Um die Energie der Batterie wirtschaftlich einzusetzen befindet sich auf der rechten Seite der Kamera eine lange Kontaktleiste (Touch Switch). Sobald man die Kamera in die Hand nimmt und diese Leiste Berührt wird die Messelektronik aktiviert und beim ablegen der Kamera sofort wieder ausgeschaltet.

Diese Besonderheit der XM sollte man zu Beginn kennen. Es ist schon häufiger vorgekommen das XM Novizen eine tadellose Kamera für defekt erklärten, weil sie zuvor versehentlich neben den Touch Switch gegriffen hatten.

Erst anschalten! Der Sensor Switch aktiviert beim Greifen der Kamera die Elektronik.

Am AE-Prismensucher befindet sich ein Hauptschalter der es bei Bedarf ermöglicht diesen Mechanismus zu umgehen. Die Messelektronik ist dann dauerhaft aktiviert.

Auf der rechten Vorderseite, direkt neben dem Touch Switch, sitzt der Selbstauslöser mit einer Vorlaufzeit von 6 bis 10 Sekunden. Gestartet wird dieser mit einem eignen Auslöseknopf.

Die Blitzsynchronisation erfolgt wahlweise über einen Kabelanschluß mit Schraubsicherung oder einen Direktkontakt eines seitlich aufsteckbaren Zubehörschuhs. Beide Kontakte unterstützen sowohl eine Blitzsteuerung über „X“ für Elektronenblitze als auch die mittlerweile obsolete „FP“ Steuerung für Blitzlampen, die eine Blitzsynchronisation für alle Verschlusszeiten ermöglichte.

Der Rückschwingspiegel ist differentialgelagert und besitze eine degressive Beschleunigung mit pneumatischer Stoßdämpfung. Bei Bedarf lässt er sich manuell hochschwenken.

Ist der Wechselsucher abgenommen kann die Einstellscheibe leicht gewechselt werden. Je nach Anwendungsbedarf kann der Fotograf hier aus 10 verschiedenen Einsätzen wählen.

Der Filmtransport erfolgt mit einem oder mehreren Hebelschwüngen über insgesamt 110° nach 20° im Leerlauf. Bei Bedarf kann eine Bildstandsgenaue Mehrfachbelichtung durchgeführt werden. Das Bildzählwerk arbeitet addierend und stellt sich automatisch nach der Öffnung der Rückwand selbstständig zurück.

An der XM lässt sich kein Winder oder Motordrive ansetzen. Die Einbindung eines motorischen Antriebs war zur Zeit der Entstehung der Kamera technologisch nicht so trivial wie bei späteren Kameragenerationen.

Ein entscheidendes technologisches Nadelöhr waren die damals verfügbaren CdS-Zellen mit ihrem trägen Ansprechverhalten. Diese machten eine sichere Belichtungsmessung und Steuerung in Serienbildfunktion technisch unmöglich. Die Lösung dieses Problems war ein essentieller Punkt für das verzögerte Erscheinen der XM-Motor.

Die XM-Motor

Minolta hatte bereits anfangs der 60iger Jahre einen geplanten Motorantrieb für die Minolta SR-2 aus praktischen Erwägungen verworfen.  Das Beispiel der Nikon F verdeutlicht die Problematik denen Konstrukteure in der damaligen Zeit gegenüberstanden. Hier musste jeder Motor individuell vom Service an die spezifische Kamera angepasst werden. Dabei wurde eine besondere Motorantriebsplatte am Boden der Kamera befestigt, um die Spiegel- und Verschlussbewegung mit dem Transportmotor zu synchronisieren.

Die Minolta Techniker verfolgten aus diesem Grund die Philosophie, dass eine motorisierte Kamera komplett anders konstruiert sein müsste als eine mit manuellem Filmtransport.

Mit der 1970 vorgestellten Minolta SR-M, eine motorisierte Variante der SRT, auch mit fest eingebautem Motor, konnten die Entwickler der XM bereits einiges an Erfahrungen mit diesem Konzept sammeln. Gerade im Bereich der angewandten Fotografie (Forschung und Industrie) überzeugt die SR-M als unbemannte Dokumentationskamera.

Besonders in Hinblick auf eine automatische Belichtungsfunktion musste die Messtechnik zudem mit der hohen Bildfrequenz mithalten können, um anschließend die ermittelten Werte in entsprechend angepasste mechanische Verschlusszeiten umzusetzen.

Die Steuerung des Verschlusses wird vom AE-Sucher geregelt und erfolgt über diese Kontakte.

Diese technologische Herausforderung in der Schnittstelle von Elektronik, Mechanik und Optik galt es praxistauglich zu meistern. Dabei mussten komplett neue Detaillösungen gefunden werden.

Die Herstellung der unmotorisierten XM war mit 1071 Montageschritten bereits ein äußerst komplexes Unterfangen. Das Modell XM-Motor aber mit ihrem neuen schnellen Automatikprismensucher AE-S samt elektronisch gesteuerten Titanverschluss, der Mikrowaben-Einstellscheibe AP (der Vorläufer der späteren revolutionären Acute-Mate Mikrowaben-Technik der XG- und XD-Serie), dem integrierten in allen wesentlichen Baugruppen getriebeverstärkten Motorantrieb und der Möglichkeit ein 10m-Langfilmmagazin anzuschließen würde bezüglich Entwicklung und Produktion eine noch höhere Herausforderung darstellen.

Der motorische Antrieb

Der Filmtransport erfolgt wahlweise manuell oder motorisch.  Dabei steuert der Verschlussablauf übergeordnet die Bildfrequenz des integrierten Mikromotors. Dabei sind die Einstellungen Einzelbild (S) oder eine wählbare Aufnahmefrequenz von 1-, 2-, 3- Bildern pro Sekunde individuell möglich. In der Position (H) schwankt die Bildfrequenz je nach Batterieladung zwischen 3,5 und 4 Aufnahmen pro Sekunde.

Bedienelemente des Motors.

 

Eine Integrierte Filmabtastung stoppt den Motor automatisch bei Filmende. Wie bei der XM wird auch bei der XM-Motor bei niedriger Batteriespannung der Transport gestoppt. Auch hier bleibt dann der Sucher dunkel.

Die Filmrückspulung ist sowohl manuell als auch motorisch möglich. Ein Filmabtaststift stoppt dann den Rückspulmotor.

Die Wechselsucher

Als Wechselsucher stehen für beide Ausführungen neben einem Automatik Prismensucher ein Automatik Prismensucher-S, ein einfacher Prismensucher sowie eine Lichtschacht- und Lupensucher zur Verfügung die allesamt mindestens 98% des später abgebildeten Bildformats anzeigen.

Abhängig von der Wahl eines des entsprechenden Suchers ändert sich der mögliche Funktionsumfang der beiden Kameras.

Der AE-Sucher (Automatic Exposure)

Der AE-Sucher ist der ältere der beiden Automatiksucher mit einem Messbereich von 3 LW bis 17 LW (100ASA). Die Filmempfindlichkeitseinstellung lässt sich von 6ASA bis 6400 ASA einstellen. Eine +/-Belichtungskorrektur in 0,5 Blendenschritten bis maximal 3,5 Blenden ist zusätzlich vorhanden.

Im Sucherbild des AE-Suchers werden die aktuell eingestellte Blende eingespiegelt. Auf der rechten Seite zeigt eine dünne Nadel die jeweilige von der Belichtungsautomatik gewählte Verschlusszeit an. Eine breitere Nadel weist dann wahlweise auf die gewählte Betriebsart „A“ oder auf die jeweils aktuell eingestellte Belichtungszeit. Eine rotes Warnlämpchen leuchtet als Warnung beim Verlassen des Messbereiches des Belichtungsmessers auf.

Das Messsystem basiert hier noch auf zwei CdS-Zwillings-Fotowiederstände direkt im Pentaprisma des Suchers. Das Grundprinzip stammt noch aus der Minolta SR-T Serie und realisiert für die damalige Zeit eine aufwendige Kontrast-Kompensation mit dem Ziel die Belichtungstrefferquote vor allem bei komplexeren und kontrastreicheren Motiven zu erhöhen. Technisch wird dies zum einen über jeweils ein gerichtetes und diffuses Messfeld sowie eine Wichtung zugunsten des schwächer beleuchteten Widerstands erreicht. Dieser erhält einen proportional stärkeren Einfluss auf das Resultat der Belichtungsmessung. Vier lichtempfindliche Systeme liefern je nach Bildaufbau und Kontrast vier unterschiedliche Signale. Mit dem CLC-System konnte Minolta als erster Hersteller, verglichen mit heutigen Systemen, ein recht einfaches, aber trotzdem sehr zuverlässiges Mehrzonensystem realisieren.

Erstmals kamen Integrierte Schaltkreise für die Belichtungsautomatik in einem Wechselsucher zum Einsatz.

Zur kreativen Beeinflussung der Zeitautomatik ist es möglich mit einem am Zeitrad gut positionierten Daumenhebel die Belichtungszeiten aktiv (um bis zu zwei Stufen) zu verlängern oder zu verkürzen.

Direkt eingreifen. Dank des Daumenhebels ist es während der Aufnahme sofort möglich die Automatikfunktion zu beeinflussen.

Ein Okularverschluss vervollständigt die Ausstattung des AE-Suchers. Der ältere AE-Sucher lässt sich auch an die XM-Motor anschließen. Aufgrund der langsamen Messzellen sollte dieser aber nicht im schnellen Serienbildbetrieb verwendet werden.

Das CLC-System (Contrast-Light-Compensation) ist eine Frühe Form der Mehrzonenmessung.

Der AE-S Sucher (Automatic Exposure-Silicium)

Der AE-S Sucher wurde als Standardsucher speziell für die Minolta XM-Motor konzipiert. CdS-Zellen reagieren einfach zu langsam um bei einer Bildfrequenz von bis zu 4 Bilder pro Sekunde ausreichend die Belichtungsreglung ausreichend schnell anzupassen. Ab 1976 konnten die Konstrukteure anstelle der CdS-Zellen eine wesentlich schneller arbeitenden Silizium Zelle einsetzen. Da sich technisch aber mit dieser Fotodiode das ausgeklügelte CLC-Messsystem nicht umsetzen lässt entfiel diese Eigenschaft beim AE-S Sucher. Der Messbereich konnte dank der neuen Technik erweitert werden und deckte nun den Bereich von -2 bis 17 LW (bei 100 ASA) ab.

Auch im Sucherbild gab es Veränderungen. Im rechten oberen Bereich wird in gelber Farbe die Einstellung des Verschlusszeiten Funktionswählers angezeigt. Das Dreheisenmesswerk wich einer modernen LED Anzeige. Durch einen mechanischen Umschalter lassen sich jetzt auch die Langzeiten im Sucher anzeigen. Die Blende wird wie bei dem Vorgänger weiter optisch eingespiegelt.

Der Prismensucher P (Professional)

Zusätzlich zu den Prismensuchern mit Automatikfunktion konnte speziell der Studiofotograf auf einen Pentaprismensucher ohne Belichtungsmessung zurückgreifen. Der sehr flache Sucher zeigt über dem Bild die eingestellte Blende sowie die eingestellten Verschlusszeiten. Bei den Mattscheiben ist die Verwendung der Typ-S und der Typ H nicht zu empfehlen.

Der Nachführsucher M (Match-Needle)

Der Nachführsucher M bot eine Belichtungsmessungsfubktion , aber ohne die Zeitautomatikfunktion. Die Detailunterschiede zum AE-Sucher sind äußerst gering, es fehlt hauptsächlich die  +/- Korrektur.

Lichtschachtsucher W (Waist-Level)

Der Lichtschatsucher bietet ein Aufrechtstehendes, aber seitenverkehrtes Bild auf der Einstellscheibe sowie eine Integrierte 4.7-fache Vergrößerungslupe ohne Belichtungsmessung. Ideal für Aufnahmen aus besonders niedriger Position oder Überkopfaufnahmen. Eine weitere Anwendung ist das unbemerkte Fotografieren aus Bauchhöhe oder versteckt um die Ecke.

Für eine präzise Scharfeinstellung lässt sich eine eingebaute Lupe in den Lichtschacht einschwenken.

Vergrößerungssucher H (High-Magnification)

Für präzise Einstellungen und Bildkontrolle besonders in den Bereichen Makro, Lupen und Mikrofotografie, bei Reproduktionen, technischen Aufnahmen und extrem langbrennweitigen Objektiven ist die Formatfüllende 6.25-fache Vergrößerung  dieses Lupensuchers ideal. Besonders hervorzuheben ist die Verzeichnungsfreie Abbildung bis in die äußeren Ecken des Bildes, dank einer sehr Aufwendigen Sucherokularoptik bestehend aus 4 Linsen in 3 Gruppen.

Als kurze Randbemerkung sei erwähnt das diese Sucher dank der vorzüglichen optischen Eigenschaften auch als ideale Lupe für die Betrachtung von Dias auf dem Leuchttisch verwendet werden kann.

Schnitt durch den hochwertigen Lupensucher

Was macht diese Kamera für eine Anwender des SR Systems so interessant?

Wer diese Kamera das erste Mal in die Hand nimmt erkennt schnell das es sich hier um eine besondere Konstruktion handelt.

Mit dem AE-Sucher und einem 50mm 1:1,4 Rokkor Objektiv bringt es die nicht motorisierte Variante auf ca. 1200g. Fast alle Komponenten und Bedienelemente sind aus Metall gefertigt und machen einen hochwertigen Eindruck und zeigen auch nach Jahrzehnten Benutzung keine Ermüdungserscheinungen. Dabei nimmt sie viele Details zB. einer Nikon F3 bereits vorweg und übertrifft dieses erheblich später erschienene Modell in fast allen Punkten. Zeitgenössische Kameras wie eine Nikon F2 oder Canons F1 wirken im direkten Vergleich und trotz des gleichen Alters nicht nur wegen ihrer Nachführmessung geradezu anachronistisch. Zeigen die Nikon und die Canon mitte der 70iger Jahre noch viele Design- und Bedienelemente die ihre Entstehungszeit klar in die späten 60iger datieren lässt, würde man spontan aus heutiger Sicht speziell die Minolta XM-Motor ehr in die frühen 80iger Jahre einordnen. Der haptische Eindruck der mächtigen XM-Motor stellt dabei alles in den Schatten was zu dieser Zeit auf dem Profigeräte Markt verfügbar war. Ein entscheidender Grund neben den hochwertigen Materialien ist das stattliche Gewicht dieses motorisierten Boliden. Mit den 10 benötigten AA Batterien für den Antrieb des Motors kommt die Kamera ohne Objektiv auf stattliche 1,7 kg. Wer dann noch das Lichtstarke Minolta Rokkor MC 1.1,2/58mm mit weiteren 475g Gewicht ansetzt hat dann einiges zu tragen.  Trotz des enormen Gewichts ist die Kamera aber sehr bequem in der Hand zu halten. Die Serienmäßige Handschlaufe und der ergonomisch geformte Griff geben einen sicheren Halt. Das Gerät liegt ausgewogen, auch mit längeren Brennweiten, in der Hand.

Warum war dieser Kamera kein Erfolg beschert?

Als Technologieträger und professionelles Flaggschiff setzte die XM und XM-Motor zweifelsohne einen neuen Höhepunkt in Minoltas Geschichte und definierte auch das Lastenheft zukünftiger Profikameras komplett neu.

Die konsequente technologische Auslegung der Kamera auf die damals noch neue Elektronik schreckte viele konservative Fotografen ab.

Man muss hier ganz klar sagen das Minolta dem damaligen Zeitgeist zu weit voraus war. Der technologische Sprung von einer vollmechanischen Kamera, die allenfalls einen Nachführmessung bot, war für die meisten Kunden greifbarer als dieser Quantensprung im Kamerabau.  Für viele Kommentatoren waren elektronisch gesteuerte Zeitautomaten 1972 sprichwörtlich Hexenwerk mit fragwürdiger Zuverlässigkeit. Neue Technologien sind darüber hinaus häufig preislich höher angesiedelt als etablierte Alternativen. Mit einem Verkaufspreis von über 4.500,- DM machte die XM-Motor keine Ausnahme und erwarb sich zudem auch das Prädikat der teuerste japanische Kamera, nur unwesentlich günstiger als eine Leica SL.

Situation heute

Der hohe Verkaufspreis und die konservative Einstellung der Hauptzielgruppe der Berufsfotografen ist sicher auch ein Grund warum die XM sowie die XM-Motor nur äußerst selten auf dem Gebrauchtmarkt anzufinden sind, obwohl die Kamera bis 1985 im Minolta Katalog aufgeführt wurde.

Die Minolta XM-Motor war bis zur Ablösung durch die Minolta 9000 im Jahr 1985 im Minolta Programm.

Die XM-Motor ist mit nur knapp 5000 gebauten Exemplaren eine der seltensten und gesuchtesten Minoltas mit SR-Bajonett.  Dies schlägt sich natürlich auch in den Preisen auf dem Gebrauchtmarkt nieder. Das Feld der Angebote teilt sich hier häufig in stark abgenutzte Profiexemplare und fast fabrikneue, teilweise originalverpackte und unbenutzte Geräte. Zwischen diesen beiden extremen wird fast nichts angeboten.

Das Preisniveau ist relativ hoch, bereits reine Ersatzteilspender werden um 400 Euro gehandelt. Funktionsfähige gut erhaltenen Exemplare sind selten unter 1000,- Euro zu bekommen. Sehr gute Geräte ohne Gebrauchsspuren wechseln für weit über 2000 bis 2500 Euro den Besitzer.

Bei der unmotorisierten Schwester sieht die Situation etwas besser aus. Die Kamera wurde in erheblich höheren Stückzahle verkauft als die motorische Version. Das Angebot ist hier weitaus vielfältiger. Aber auch hier sollte nicht unerwähnt bleiben, das gute Exemplare auch ihren Preis haben und es sinnvoll ist etwas mehr in eine Kamera mit Rückgaberecht und Garantie zu investieren als in das günstigste Angebot mit zweifelhafter Qualität.

Bezüglich Service und Reparatur hatten wir bei einem auf Minolta spezialisierten Fachbetrieb PEGO Kamera-Technik In Bad Schwartau bei Lübeck nachgefragt. Die Mitarbeiter des Unternehmens stammten alle größtenteils aus dem ehemaligen deutschen Minolta Service und wurden noch durch Minolta geschult. Einer der Techniker Carlo Gosch hatte dazu alle unsere Fragen freundlich beantwortet. Leider musste nach 20 Jahren Betrieb die PEGO Kamera-Technik zum 31.07.2023 schließen.

XM und XM-Motor waren auch in der Werkstatt von PEGO ehr seltener zu finden. Häufige Probleme resultieren in einer Fehlbedienung. Dabei wird der Blendensimulator vor dem Aufsetzen auf die Kamera nicht in die entsprechende Einrastfunktion gestellt. Diese falsche Handhabung kann dann im schlimmsten Fall dazu führen das der Hebel verbogen wird. In der Folge muss der AE-Sucher dann zerlegt und wieder gerichtet werden.

Vor dem Aufsetzen des Wechselsuchers ist der Blendensimulator einzurasten.

Ein weiteres typisches Problem sind die Kunststoff Rastnasen der Batterieabdeckung der XM-Motor. Diese brechen ab. Ein Ersatzteil ist nicht mehr verfügbar. Ein Problem das fast jeden XM-Motor betrifft. (Aktuell laufen einige Projekt bezüglich 3 D-Druck um diese Teile neu zu fertigen).

Prinzipiell kann man bei der XM nicht von einer bestimmten Problematik sprechen. In der Hauptsache sind es jedoch elektronische Justierungen des Belichtungsmessers der Prismensucher. Die Mechanik selbst ist äußerst robust. Problemzonen sind hier die oben erwähnten Schnittstellen zur Elektronik.

Die Ersatzteillage ist allgemein schlecht, das heißt aber nicht das viele defekte Komponenten nicht mit einigem Aufwand instandgesetzt werden können. In Anbetracht des immer noch sehr hohen Wertes eine Minolta XM-Motor lohnt sich dies in den meisten Fällen.

Carlo Gosch empfiehlt beim Neuerwerb einer Kamera besonders die Belichtungsmessung genau zu Prüfen und unterschiedliche Blenden sowie Iso Werte einzustellen. Dabei sollten die Anzeigen bei Verstellung kontinuierlich arbeiten, gibt es plötzliche unerwartete Sprünge oder Flackern der LEDs ist Vorsicht angeraten. Hier kann der Fehler sowohl an der Kamera aber auch am entsprechenden Sucher liegen.

Ist ein zweiter Sucher vorhanden kann dabei auch die Fehlerquelle klar eingegrenzt werden.

Ein persönliches Fazit

Die Minolta XM und die Minolta XM-Motor sind faszinierend, selten und komplex. Preislich liegen diese Kameras erheblich höher als vergleichbaren Modellen. Warum also sollte man sich einen solche Kamera zulegen?

Für den Sammler, der das besondere für die Vitrine sucht, ist die Frage sicher schnell beantwortet. Aber wie sieht es für den aktiven Fotografen aus?

Wer eine umfangreiche Auswahl an Minolta Objektiven besitzt hat durchaus die Möglichkeit auf die guten und leicht verfügbaren SRT-Modelle ohne Automatik zurückzugreifen. Zeitautomatik liefert auch die Minolta XE-1 oder XD 7. Letztere besitzt sogar eine Blendenautomatik und einen Anschluss für einen Winder. Alle diese drei Alternativen sind von hoher Qualität zu einem günstigen Preis.

Die Notwendigkeit zur Anschaffung einer XM-Motor lässt sich daher rational nicht erklären. Bekommt man einmal die Möglichkeit diese Kamera in einem guten Zustand in die Hand zu nehmen, kann man sich der Faszination der Haptik und der akustischen und optischen Qualität nur schwer entziehen. Man möchte dann nur eins damit machen – fotografieren!

Auswahl Mattscheiben

  • Typ PM Mattscheibe mit horizontalem Schnittbild-Indikator 2,5mm und Mikroprismenring 1,5 mm
  • Typ G Mattscheibe
  • Typ L Mattscheibe mit Gitternetz 6mm
  • Typ H Mattscheibe mit Klarfleck und Doppellinien-Kreuz 8mm
  • Typ S Klarscheibe mit Doppellinienkreuz und Teilung 0,5mm
  • Typ C1 Klarscheibe mit Mikroprismenfeld 6mm (für definierte Objektive)
  • Typ C2 Klarscheibe mit Mikroprismenfeld 6mm (für definierte Objektive)
  • Typ C3 Klarscheibe mit Mikroprismenfeld 6mm (für definierte Objektive)
  • Typ AP Mikrowabenscheibe mit diagonalem Schnittbild-Indikator 4mm

Technische Daten XM-Motor

  • Kleinbild-Spiegelreflexkamera (24 x 36 mm) mit integriertem elektromotorischen Antrieb
  • 5 Wechselsucher und 11 auswechselbare Einstellscheiben
  • SR-Objektivbajonett aus Edelstahl
  • Sucheranzeige: 100%
  • Motordaten: Einzelbild oder Serienaufnahmen (1, 2, 3 oder High=3,5)
  • Verschlussablauf steuert übergeordnet die Motor-Bildfrequenz
  • Filmzugsensor stoppt am Filmende oder bei überhöhtem Filmzug
  • Vorrichtung für Mehrfachbelichtungen, auch mit Motor
  • Filmtransport und Auslösung motorisch oder mechanisch von Hand
  • Filmrückspulung motorisch mit automatischem Stop oder mechanisch von Hand
  • Automatischer Handschalter mit Belichtungssteuerung
  • Fernauslöseranschluss und Anschluss für externe Spannungsversorgung
  • Elektronisch gesteuerter Titanverschluss mit den Zeiten: B, X (1/100), 8s – 1/2000s
  • Belichtungswerte: -2 bis 17 (bei 100 ASA) mit Sucher AE-S
  • Batteriespannung (für Belichtungsmessung): 2 x A-76 (je 1,5V)
  • Batteriespannung (für Motorantrieb): 10 x AA „Mignon“ (je 1,5V)
  • Gehäuseabmessungen: 171 x 147 x 83mm
  • Gehäusegewicht mit Sucher AE-S (ohne Batterien): 1,45kg