Lina Bessonova im Interview

Wenige Jahre nach der Entwicklung ihrer ersten Filmrolle im Jahr 2010 entschied sich Master in Fine Arts Lina Bessonova dazu, ihre Leidenschaft für analoge Fotografie in ihrer eigenen Dunkelkammer in Florenz auszuleben – als Vollzeitbeschäftigung.

APHOGnext: Hallo Lina! Was gefällt dir am besten an der analogen Fotografie, bzw. was ist für dich der schönste Teil daran?

LB: Für mich existiert ein Foto erst, wenn es als echte Vergrösserung vor mir liegt. Die Herstellung eines Prints ist jedes Mal eine neue Herausforderung. Wenn man sich mit einem Negativ auseinandersetzt, muss man es bewerten und sich immer die Frage stellen: was möchte ich erreichen und ausdrücken? Es ist immer ein gewisser Teil Erfahrung und Können mit im Spiel, aber auch jede Menge Intuition und Experimentieren. Dabei entsteht eine Spannung, die ich so nie bei einem digitalen Foto erlebt habe, oder beim Scannen eines Negatives. Es ist einfach unvergleichbar.

APHOGnext: Also ist die Dunkelkammerarbeit deine ganze Leidenschaft?

LB: Das Vergrössern und das Teilen von Wissen! Während meines MFA-Studiums in Fotografie war ich Assistentin meines Lehrers und habe ihn bei den praktischen Übungen unterstützt. Ich habe es von ganzem Herzen geliebt, die Studenten bei ihrer kreativen Arbeit zu unterstützen und ihre Gefühle und Emotionen auf Fotopapier zu bannen.

Du musst dabei dein eigenes Ego beiseitelassen, zuhören und es irgendwie schaffen, eine persönlichen Zugang zu der Person zu finden, um es dann für sie technisch umzusetzen. Für mich gibt es nichts Aufregenderes, als den Teilnehmern meiner Workshops dabei behilflich zu sein, mehr aus ihren Negativen herauszuholen und damit schöne Fotos zu ezielen! Meine eigenen Aufnahmen interessieren mich dabei gar nicht mal so sehr.

APHOGnext: Wie, deine eigenen Fotos interessieren dich überhaupt nicht?

LB:  Ja doch, schon. Ich bin im Grunde genommen eine fast schon paranoide Person, die unzählige Bücher über ein Thema lesen kann. Wenn mich ein Thema interessiert, bombardiere ich alle Fachleute zu einem bestimmten Thema mit allen nur erdenklichen Fragen, um dann jede Menge Tests mit bestimmten Papier- und Chemie-Kombinationen durchzuführen. Ich denke aber nicht, dass das notwendig ist, um gut zu printen. Die Dunkelkammer-Arbeit sollte ihre Magie behalten. Und vor allem soll man dabei Freude empfinden. Es ist auch absolut erforderlich, am Anfang (und auch später) Fehler zu machen. Nur so entwickelt man sich weiter. Und eine gute theoretische wie praktische Basis ist absolut notwendig!

APHOGnext: Daher legst du den Schwerpunkt deines Workshopangebots sehr auf Dunkelkammer-Grundlagen und -Techniken?

LB: Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie schnell Menschen lernen, wenn man es ihnen nur richtig erklärt. Ich habe hier Teilnehmer, die zu Beginn des Kurses nicht einmal einen Film einlegen können. Nach zwei Tagen Dunkelkammer fertigen sie erstaunlich gute Prints an. Ja, die normalen Kurse sind auf die Grundlagen fokussiert. Bei den längeren Workshops geht es dann natürlich viel ausgeprägter in die Details, und es ist dann auch genügend Zeit, der eigenen Kreativität Raum zu geben.

APHOGnext: Stichwort eigene Krativität bei der Dunkelkammerarbeit, was bedeutet das genau?

LB: In der Dunkelkammer kann man einerseits einfach ein SW-Negativ in ein Positiv verwandeln. Das allein ist schon beeindruckend. Aber wie auch bei der Aufnahme geht es noch einen Schritt weiter. Du hast hier die Möglichkeit, dem Bild eine ganz individuelle Persönlichkeit zu verleihen. Dazu gibt es eine unheimlich große Vielfalt an technischen Möglichkeiten, angefangen bei der Wahl der Bildoberfläche bis hin zu ausgefeilter Tonung.

 

APHOGnext: Hast du ein bevorzugtes Papier?

LB: Ganz klar, Ilford MG Baryt Selen-getont. FOMA ist mir persönlich etwas zu weich in den Kontrasten. Das ist immer meine Wahl, wenn ich extrem kontrastreiche Negative habe. Es läst sich aber auch sehr gut tonen. Aktuell bin ich absolut begeistert von dem neuen ADOX Polywarmton-Papier. Es reagiert mit den unterschiedlichen Entwicklern jeweils individuell. Einfach wunderbar, dass es das wieder gibt. Ich hatte das Glück, als eine der Ersten im September die erste Charge zu testen. Ich hab es dann natürlich gleich zusammen mit meinen Workshopteilnehmern getestet, um auch zu sehen, wie andere es verwenden.

 

APHOGnext: Alles worüber wir hier gesprochen haben, dreht sich um SW-Fotografie. Machst du keine Farbaufnahmen?

LB: Nein, keine Farbe und auch keine alternativen fotografischen Prozesse. Ich bin da ein wenig Extremistin. Ich beschäftige mich intensiv mit einem Thema, und genau da will ich alles optimal beherrschen, um es perfekt an meine Workshopteilnehmer weitergeben zu können. Daher konzentriere ich mich nur auf die oben genannten Punkte.

 

APHOGnext: Hast Du einen Tipp für unsere Leser, den sie auf alle Fälle beherzigen sollten?

LB: Ja, den hab ich. Ich muss aber vorab sagen, dass ich den auch oft nicht selber beherzige. Dann erlebe ich immer wieder aufs Neue, dass ich so besser gefahren wäre. Es macht häufig Sinn, erst die Teststreifen zu machen und dann über die Ergenisse eine Nacht zu schlafen. Am nächsten Tag beurteilt man häufig vieles anders. Aber Printen ist so fantastisch, dass ich dazu oft nicht genügend Geduld aufbringe. Auch sehr wichtig: Spart nicht mit Papier! Nehmt nur frisches Papier! Ihr verschwendet nur eure Zeit mit abgelaufenem Papier. Fehler sind am Anfang vollkommen normal, und es muss einfach sein. Lernen ist immer ein kostspieliger Prozess, den ein jeder durchleben muss, um besser zu werden.

 

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