Wie der Atelier-Schnellarbeiter wieder zum Einsatz kommt

Vorab zur Info, der Atelier Schnellarbeiter ist ein Porträt Objektiv nach Hugo Petzval, er wurde in verschiedenen Brennweiten von Hugo Meyer & Co. in Görlitz gebaut und erfreut sich seit einigen Jahren größerer Beliebtheit. Wie alle diese Objektive hat es eine enorme Mittenschärfe die aber stark zum Rand hin abnimmt. Diese Konstruktion ist nicht auf ein planes Bildfeld korrigiert, tatsächlich verläuft die Schärfe sphärisch, d.h. auf einer Kugelebene. In der Praxis führt das zu dem Effekt dass die Mitte sehr scharf dargestellt wird und dann kugelförmig zum Rand hin verläuft. Richtig eingesetzt lassen sich damit exzellente Porträts erstellen aber auch für Landschaftsaufnahmen sind diese Objektive gut geeignet. Die Lichtstärke dieser Rechnungen ist z.T. wirklich erstaunlich, die Schnellarbeiter haben durchweg alle f/3 als größte Blende, bei diesem 400mm Objektiv ergibt das einen optischen Durchmesser von 133,3mm. Eine weitere Besonderheit dieser Objektive ist die lange Bauweise, diese ist Konstruktionsbedingt und bei allen Objektiven diesen Typs zu finden.

Durch eine Thread im Großbildforum wurde ich durch einen Umweg auf dieses Objektiv aufmerksam, eigentlich suchte Stefan einen Flansch für ein 1000mm APO Nikkor aber wir kamen dann auf den Schnellarbeiter der zum Vitrinen Dasein verdonnert war weil ihm der Anschlussflansch fehlte. Leider kommt das sehr häufig vor, die alten Objektive wurden vor vielen Jahren schon aus den Kameras herausgenommen und als Sammlerstücke aufgehoben, die Kameras waren meist total defekt und wurden entsorgt nur leider mit dem Anschlussring

Bei einem Objektiv dieser Größe ist das ein echtes Problem wegen des sehr großen Durchmessers, in diesen Dimensionen können die allermeisten Mechaniker nicht mehr arbeiten weil die Maschinen einfach zu klein dafür sind. Da ich dieses Problem kenne und ich leidenschaftlich versuche alte Objektive wieder brauchbar zu machen habe ich mich angeboten einen passenden Ring für dieses Objektiv anzufertigen.

Der erste Schritt war natürlich das Stefan mir das Objektiv zusenden musste, ein gewaltiger Vertrauensvorschuss, der Wert einer solchen Optik ist nicht unerheblich, zumal diese hier in einem unglaublich gutem Zustand ist. Um einen Ring dafür anzufertigen ist es aber zwingend erforderlich das ich das Objektiv vor Ort habe. Bei diesen alten Schätzchen kann nicht davon ausgegangen werden das ein genormtes Gewinde angebracht wurde, deshalb muss ich es erst einmal genau vermessen. Dazu gehören der Durchmesser, die Steigung des Gewindes und der Winkel der Gewindeflanken.

Das Messen und Prüfen ergab einen Durchmesser von 5-7/16” bei 20 Gang/ Zoll Der Flankenwinkel beträgt 55° Bis auf den Durchmesser ein durchaus übliches Gewinde nach dem Whitworth Standard.

Da nun die wichtigen Maße bekannt sind konnte ich mich daran machen das Drehen des Ringes vorzunehmen. An dem Objektiv ist das Gewinde aus Aluminium welches aber schon über 100 Jahre alt ist, auch gut an der matten Farbe zu erkennen. Damals wurde versucht das Aluminium durch Lackieren zu schwärzen was aber nicht auf Dauer funktioniert, die Farbe blättert irgendwann einfach ab. Das Eloxieren von Aluminium, wie wir es heute kennen, kam erst in den 1930er Jahren wirklich zum industriellen Einsatz. Nach so vielen Jahren ist das Metall etwas spröder und die Oberfläche rauer geworden, ich brauchte daher gar nicht daran zu denken einen Anschlussring ebenfalls aus Aluminium anzufertigen, der hätte sich zu 100% für alle Zeiten innig mit dem Objektiv Gewinde verbunden, gemeinhin als “festfressen” bezeichnet.

Blieben als Alternative nur Messing oder ein hochwertiger Kunststoff. Wer hat aber schon einen Messingring in diesen Dimensionen rumliegen? Bei mir fand ich jedenfalls keinen aber zu meiner Überraschung hatte ich einen Ring aus schwarzem POM Kunststoff. Dies ist ein sehr hochwertiges Material das ohne Probleme in der Lage ist ein Objektiv diesen Gewichtes zu tragen und sich zudem auch noch recht gut spanend bearbeiten lässt.

Zuerst muss der Ring allseitig bearbeitet werden damit die Parallelität gewährleistet ist. Der Durchmesser des Gewindes von 5-7/16” entspricht 137,5mm. Dies ist der Außendurchmesser, beim dazu passenden Innengewinde muss natürlich die Flankenhöhe abgezogen werden, in der Regel ist das die Steigung, in diesem Fall 20 Gang/Zoll also etwa 1,25mm. Macht also einen Innendurchmesser von 136,25mm Nun kann es ans Gewindeschneiden gehen. Dazu wird ein passender Gewindestahl benötigt, in diesem Fall mit 55°.

Das Gewindeschneiden kann beginnen, es erfolgt in mehreren Schritten, auch in Kunststoff kann ein Gewinde in diesem Durchmesser nicht in einem Mal geschnitten werden. Nach ein paar Durchgängen muss geprüft werden ob das Gewinde passt, so kann sichergestellt werden dass es nicht zu groß geschnitten wird.

Damit dem so gut erhaltenen Glas nichts zustößt habe ich es aus der Fassung herausgeschraubt. Die Gläser, Kron – und Flintglas sind z.T. recht weich und an den Werkzeugmaschinen befinden sich immer Öl, Späne und das schlimmste von allem, Kühlschmierstoff, der Glas sofort angreift und unrettbar beschädigen würde.

Erfahrungsgemäß passt der erste Probelauf eigentlich nie, also nochmal auf die Maschinen und weiter ausgeschnitten bis es satt und sauber passt. Nach dem erfolgten Gewindeschneiden muss der Ring komplett entgratet werden, d. h. alle scharfen Kanten werden verrundet. Der fertige Ring hat einen Außendurchmesser von 220mm aber weil er aus Kunststoff ist trägt er nicht viel am Gewicht zum Objektiv bei.

 

Messen des Gewinde Durchmessers

 

Prüfen der Gewindesteigung

 

Vordrehen

 

Messen nicht vergessen

 

Umspannen in Spezialspannbacken zum Innendrehen

 

Innen auf Maß drehen

 

Auf den errechneten Innendurchmesser

 

Gewindestahl auf Mittenhöhe einstellen

 

Schneiden des Gewindes

 

Prüfen in wie weit der Ring passt

 

Der Ring muss sich leicht aufschrauben lassen aber er darf nicht klappern.

 

So sieht es gut aus

 

Zum Abschluss ein Größenvergleich, das kleinere Objektiv ist ein Schneider Symmar 5,6/180 welches auch schon eine ordentliche Größe hat, gegenüber dem Meyer Objektiv nimmt es sich aber sehr bescheiden aus. Fotografiert auf 4×5“ und einem von mir in einem Verschluss gesetztem Emil Busch Leukar Doppel Anastigmat 6,8/19cm